Schweiz finanziert weiter die UNRWA

8. August 2022 Tanklastwagen passieren den Grenzübergang Kerem Schalom, nach Vereinbarung eines Waffenstillstands zwischen Israel und Gaza. (Copyright: ZUMA Wire / Imago Yousef Masoud)

Letzte Aktualisierung am 6. Dezember 2022 durch Thomas Morvay

Bern – Die Schweiz schenkt dem UN-Hilfswerk für die palästinensischen Flüchtlinge auch in den kommenden beiden Jahren je CHF 20 Mio. Dies geht aus der Veröffentlichung des entsprechenden Bundesratsentscheids hervor. Die vorgeblich erläuternden Kommentare dazu lesen sich wie eine Aneinanderreihung schlechter Witze: das Lachen bleibt einem fast bei jedem Satz im Halse stecken.

Es ist als wäre nichts gewesen. Und es hat den Anschein, für das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) wäre der Nikolaus bereits am vergangenen Freitag gekommen. An jenem Tag erschien die Medienmitteilung, der Bundesrat habe zugestimmt, die Unterstützung von CHF 20 Mio jeweils auch für die nächsten beiden Jahre auszurichten. Die Bekanntgabe fiel dieses Mal recht ausführlich aus: beim Lesen gewann man den Eindruck, es müsse sich jemand rechtfertigen. Zu dumm nur, dass dies an der inhaltlichen Richtigkeit vollends vorbeiging.

Die Schweiz bekräftigt damit ihr Engagement für menschliche Entwicklung, humanitäre Hilfe und regionale Stabilität.

Medienmitteilung des Bundesrats, vom 2. Dezember 2022

Es gibt woh kaum jemand, der dagegen etwas haben könnte. Ausser jenen Menschen, die die Augenwischerei kritisieren, welche die offizielle Schweiz seit Jahren an den Tag legt, wenn es um “Palästina” geht: da war es dann schon fast eine heroische Tat, als das Land 2019 ihre Zahlungen sistierte, nachdem die Vorwürfe gegen den Schweizer Diplomaten und damaligen Generalsekretär des UNRWA Pierre Krähenbühl nicht mehr haben ignoriert werden können. Zu dumm nur, dass damals der Jahresbeitrag für das laufende Jahr praktisch vollständig überwiesen war, die Sistierung also kaum mehr als symbolischen Wert besass!

Der Beitrag der Schweiz in der Höhe von jährlich 20 Millionen Franken für die Jahre 2023 und 2024 (insgesamt 40 Millionen Franken) ermöglicht es der UNRWA, ihre Arbeit trotz schwieriger Bedingungen fortzusetzen.

Medienmitteilung des Bundesrats, vom 2. Dezember 2022

Danke für die Rechenhilfe – mehr herablassend könnte sich der Bundesrat nicht geben, als dem Leser zu suggerieren, dass sie 2×20 nicht selbständig ausrechnen können. Und kaum hat man sich von diesem Schock erholt, wird dem Leser vorgegaukelt, die Mitgliedschaft in einer “beratenden Kommission” ermögliche der Schweiz “Einfluss auf die Politik und Arbeitsweise der UNRWA”, und sie könne “ihre Kernanliegen einbringen”. Freilich ohne konkret zu sagen, was diese Kernanliegen denn seien. Aber vielleicht ist es ein Kernanliegen, dass “die UNRWA ihr Mandat erfüllen und die zur Verfügung gestellten Gelder effizient” einsetzen könne, wie weiter ausgeführt wird.. Wissenschaftlich bezeichnet man solche Aussagen als Tautologien. Und dazu braucht man sicherlich nicht Mitglied einer Kommission zu sein, beratend oder sonstwie.

Ein “Beitrag zu mehr Stabilität im Nahen Osten” seien die Gelder:

Da keine politische Lösung des Konflikts in der Region in Sicht ist, bleibt die UNRWA relevant und ein stabilisierender Faktor. Wie schon vom Bundesrat in der MENA-Strategie 2021–2024 bestätigt, ist die Instabilität im Nahen Osten eine grosse Herausforderung auf lokaler und internationaler Ebene, aber auch für die Schweiz. Die langjährige Blockade und die Feindseligkeiten im Gazastreifen, der seit 2011 anhaltende Konflikt in Syrien und die Wirtschaftskrise im Libanon haben negative Auswirkungen auf die Palästinaflüchtlinge.

Medienmitteilung des Bundesrats, vom 2. Dezember 2022

Da können doch nicht der Grenzübergänge Kerem Schalom oder Erez gemeint sein, wo seit 2009 alle Güter durchgelassen werden, ausser jene als “dual purpose” bezeichneten, aus denen die Befestigungen der Tunnelwände oder Sprengstoff und Brandbomben hergestellt werden können. Dies, während im dem selben Zeitraum der Grenzübergang Rafah zu Ägypten mehr gesperrt denn offen gewesen ist. Und warum wird so getan, als könne die Urheberschaft der Feindseligkeiten nicht konkret benannt werden: Hamas und islamistischer Dschihad, die im Gazastreifen herrschen, oder die ebenfalls terroristische Hizbollah, ohne die der Libanon nicht regierbar ist. UNRWA kann in beiden Gebieten nicht selbständig agieren, und darüber, wie hoch der Anteil ist, der von den internationalen Geldern für deren terroristische Tätigkeiten abgezweigt werden, kann man nur spekulieren.

Es wäre eventuell angebracht, wenn man in der Mitteilung den Begriff Palästinaflüchtlinge erklären würde. Die Schweiz sieht sich gerne als Inbegriff eines sicheren Hafens, wo über Jahrhunderte Menschen Zuflucht vor Verfolgung gefunden haben. Wir blenden an dieser Stelle jene Zahntausende Juden aus, die in den 1930er und 40er Jahren sehenden Auges ins Verderben zurückgeschickt wurden, und dass die Schweiz sich ihrer daraus ergebenden Verantwortung bis heute nicht gestellt hat. Auch der Autor dieses Beitrags kam einst als Flüchtling, wurde aufgenommen, integriert und konnte zum Bürger des Landes werden, seine Arbeitskraft zur Mehrung der Volkswirtschaft einbringen, am politischen Leben aktiv teilnehmen. Warum wird seit Jahr und Tag verschwiegen, dass ein sog. Palästina-Flüchtling all dies seit 75 Jahren nicht kann? In keinem der Länder, in denen UNRWA tätig ist, sind diese Menschen je integriert worden. Nach all den Jahren leben sie noch immer eingepfercht in Lagern, in Gaza, wie in Libanon, wie in den sog. “Besetzten Palästinensischen Gebieten”. Sie haben keine Rechte, sie hängen am Tropf der Spendengelder für UNRWA, weil sie keiner Arbeitstätigkeit nachgehen dürfen, sie sind ausgegrenzt.

Und damit nicht genug. Laut Medienmitteilung spielt UNRWA eine Schlüsselrolle bei der Schaffung von Perspektiven für junge Menschen. Ja, die Projekte gibt es, in denen die Jugend zB. handwerkliche Fähigkeiten erwerben kann, sie wird gerne von der Schweiz ins Feld geführt. Das ist in erster Linie der Verdienst des gegenwärtigen Stelleninhabers, Bundesrat Ignazio Cassis. Darauf kann man in der Tat stolz sein, es ist ein wesentlicher Baustein. Doch leider ist dies bloss die “halbe Wahrheit”, wie auch wir schon mehrfach thematisiert haben, etwa hier oder hier. Denn bereits seit dem Kindergarten werden die jungen Menschen systematisch indoktriniert, indem im Unterricht die Fiktion eines Rückkehrrrechts unterrichtet wird. Terroristen werden als Märtyrer und nachahmenswerte Vorbilder hingestellt. Von Lehrkräften, die in den Sozialen Medien antisemitische Inhalte verbreiten, und denen durch NGO bereits nachgewiesen wurde, Verbindungen zu Terrornetzwerken zu unterhalten – auch darüber berichteten wir.

Das relativiert den Wert der in der Medienmitteilung aufgeführten “710 UNRWA-Schulen”, welche rund “540’000 Kinder” heute besuchen. Wie man angesichts der immer wieder aufgezeigten Fehlentwicklungen im Unterricht behaupten kann, “das Risiko einer Radikalisierung junger Menschen zu reduzieren”, entzieht sich uns vollends. Gerade die beispielhaft angeführten Materialien, welche die UNRWA erstmals im Zuge der Covid-19-Pandemie selbst entwickelt hat, um E-Learning zu ermöglichen, kamen in Verruf, weil sie auch propagandistisch genutzt worden waren. Man kann bloss hoffen, dass wenigstens die übrigen Programme etwas den Leid der Betroffenen lindern:

Sie betreibt zudem 143 regionale Gesundheitszentren, in denen jährlich 3,1 Millionen Palästinaflüchtlinge qualitativ hochstehende Gesundheitsdienstleistungen erhalten. Schliesslich gewährt die Organisation fast 400’000 Palästinaflüchtlingen soziale Sicherheit, indem sie Nahrungsmittel oder Bargeld/Gutscheine verteilt.

Medienmitteilung des Bundesrats, vom 2. Dezember 2022

Angesichts der aufgeführten systemischen Fehler bleibt jedoch eine gewisse Skepsis angebracht. Und solange die Geldgeber in Kentnnis dieser Fehler weiterhin an den verfehlten Praktiken der Finanzierung einer Perpetuierung des Elends festhalten, bleibt eben doch das, was der junge Bundesrat Cassis als erster Magistrat öffentlich gemacht hatte, und wofür er rüde zurückgebunden worden war: UNRWA ist Teil des Problems, nicht der Lösung.

Über Thomas Morvay 311 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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