UN-Sicherheitsrat beschliesst Resolution zu Gaza

Der UNO-Sicherheitsrat trifft sich am Montag und berät über den Gaza-Krieg. Lizenz: imago/Pacific Press Agency; Copyright: Lev Radin

Letzte Aktualisierung am 28. März 2024 durch Thomas Morvay

Zum ersten Mal seit Beginn des Konflikts in Gaza, verabschiedete der UNO-Sicherheitsrat am Montag eine Entschliessung. Das wurde möglich, nachdem keines der fünf Ständigen Mitgliedern sein Veto geltend gemacht hatte. Erwartungsgemäss kochten darob die Emotionen sofort hoch. Warum es dafür keinen Anlass gibt, versuchen wir heraus zu arbeiten.

Erste Anzeichen eines sich zusammenbrauenden Sturmes gab es bereits am vergangenen Freitag: US-Aussenminister Antony Blinken befand sich am Ende einer Nahost-Rundreise bloss wenige Stunden in Israel, und reiste dann ohne eine gemeinsame Pressekonferenz mit Israels Premierminisater Benjamin Natanjahu wieder ab. Am Flughaafen Ben Gurion gab er folgende Erklärung ab:

SECRETARY BLINKEN:  Good evening, everyone.  I came back to Israel as a friend, and to have candid conversations, as friends do.

We focused on the hostage negotiations, as I did as well in my conversations with Egyptian colleagues and the Qatari foreign minister yesterday.  I also had a chance to meet with the hostage families again, and it’s hard to describe what they’re going through every single day.  We made progress in the last couple of weeks on the hostage negotiations, closing gaps, but almost by definition when you get down to the last items, they tend to be the hardest.  So there’s still a lot of work to be done, hard work to be done, but we’re determined to try to get it done.

We also talked about the imperative of surging and sustaining humanitarian assistance for the people in Gaza.  A hundred percent of the population of Gaza is acutely food insecure.  A hundred percent is in need of humanitarian assistance.  Now, there have been some positive steps taken in recent days to improve the situation, but it’s not enough, and we talked about what needs to happen to get much more assistance to many more people more effectively.

We also talked about Rafah.  We share Israel’s goal of defeating Hamas, which is responsible for the worst massacre of the Jewish people since the Holocaust.  And we share the goal of ensuring Israel’s long-term security.  As we’ve said, though, a major military ground operation in Rafah is not the way to do it.  It risks killing more civilians, it risks wreaking greater havoc with the provision of humanitarian assistance, it risks further isolating Israel around the world and jeopardizing its long-term security and standing.

So we’re looking forward to having Israeli officials in Washington next week to talk about a different way of achieving these objectives, objectives that we share, of defeating Hamas and ensuring Israel’s long-term security.  It really requires an integrated humanitarian, military, and political plan.  And as I said, we’ll be talking about that next week, going through the details of what we see as the best way forward.

We also had an opportunity to talk about the longer-term trajectory, what needs to happen once the conflict in Gaza is over – conversations that I had with our Arab partners over the last couple of days and that we had here in Israel as well.  We’re determined that Israel succeed in making sure it can defend itself, that October 7th never happens again, that it emerge from this strong, secure, integrated in the region, with a future of security and peace not only for Israelis but for Palestinians and for our other friends in the region.  And we believe there’s a path forward to do that.  We’ll be continuing to work to flesh out that path and to try to walk down it in the days and weeks ahead.

[…]

Quelle: U.S. Department of State

Dann war das Wochenende und am Montag die Sitzung und Abstimmung im Sicherheitsrat, über einen Resolutionsentwurf, eingebracht von den 10 Nicht-ständigen Mitgliedern des Rates, darunter aktuell auch die Schweiz:

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Während sich die Vereinigten Staaten der Stimme enthielten, stimmten alle übrigen Ratsmitglieder für die Resolution. Bemerkenswert ist dies einzig, weil in den vergangenen Wochen ähnliche Resolutionstexte am Veto eines oder mehrerer der sog. Permanenten Ratsmitglieder gescheitert waren. Bemerkenswert aber auch die in vielen Bereichen allgemein gehaltenen Sprache: für gewöhlich werden in den einleitenden Absätzen – der Präambel – die vorangehenden Beschlüsse im Einzelnen aufgeführt, hier nur summarisch erwähnt. Bemerkenswert aber auch die Erwähnung der in Doha geführten Verhandlungen, welche ausserhalb der UNO geführt werden, ebenso die Hibnweise auf Völkerrecht und Humanitäres Völkerrecht – man kann sich fragen, ob hier eine Basis für künftige Klagen in Den Haag gelegt werden soll.

Unzweideutig ist dann aber der operative Text, es wird gefordert, mit dem klaren Begriff “verlangt” (im Origninal: demand), anstelle von “calls upon”: eine Waffenruhe für die Dauer des islamischen Fastenmonats Ramadan, welcher in eine dauerhafte Waffenruhe führen soll, ebenso wie die umgehende und umfassende Freilassung der Geiseln. Subsidiär wird verlangt, dass der Zugang zu den Geiseln für deren medizinische Versorgung gewährt wird – und dies, nachdem in der Präambel festgehalten wird, Geiselnahme sei im internationalen Recht verboten. Etwas verwaschen dann allerdings die Aufforderung, dass die Parteien ihren Pflichten im internationalen Recht in Bezug auf alle von ihnen festgehaltenen Personen nachkommen.

Von manchen Kommentatoren wird behauptet, die USA hätten die bisherige Haltung von Verknüpfen der Feuerpause mit der Freilassung der Entführten aufgegeben. Wir können dies anhand des vorliegenden Textes nicht erkennen: beides wird im ersten operativen Absatz gefordert, die Interpretation von Gleichzeitigkeit ist nach unserem Ermessen zulässig. Und auch wenn die USA sogleich versicherten, die Entschliessung sei nicht bindend: auch diese Ansicht können wir keinesfalls teilen. Nach unserer Auffassung wird eine UN-Resolution nicht erst durch Berugung auf Kapitel VII der Charta bindend. Das ergibt sich auch schon aus der Wortwahl, die wir oben beschrieben haben.

Welche praktische Bedeutung hat die Entschliessung aber auf Israels Willen, die verbleibenden militärischen Fähigkeiten der Hamas zu vernichten und vielleicht sogar ihre politische Rückkehr an die Macht massgeblich zu verunmöglichen? Ich denke nicht grosse: Israel wird tun, was sie für richtig und wichtig halten. Und die Hamas? Nun, auch sie wird sich nicht in ihrer Strategie beirren lassen. Das hört man aus Doha, wo Hamas erneut ein Freilassen der Entführten vor einem vollständigen Rückzug des IDF ausgeschlossen haben. Einziger Profiteur bleibt die Administration Biden, die sich damit ihre Aussichten auf Wiederwahl im Herbst wahren will. Die US-Demokraten jedenfalls profilieren sich zunehmend als die kritische Partei gegenüber dem jüdischen Staat. Längst ist es nicht nur die sog. “The Squad”, von ein paar wenigen Politikerinnen im Repräsentantenhaus. Die Partei scheint sich zunehmend muslimischen Minderheiteen zuzuwenden in ihrer Inne- wie auch Aussenpolitik.

Na, wenn sie sich da nicht gründlich verkalkuliert haben.

Über Thomas Morvay 326 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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