Letzte Aktualisierung am 6. Juli 2021 durch Thomas Morvay
(Jerusalem/Israel) – Zu Beginn der Woche veröffentlichte die in Ramat Gan beheimatete Nicht-Regierungs-Organisation IMPACT-se ihre Analyse des Unterrichts-Begleitmaterials vom UN-Flüchtlingshilfswerks für die Palästinenser, UNRWA. Letztere stand wiederholt in der Kritik, an ihren Schulen würde gegen Israel gehetzt und zum Jihad aufgerufen, und damit dem Geist und den Grundsätzen der Vereinten Nationen wiedersprechen. UNRWA verteidigte sich damit, dass die Lehrpläne durch die Regierungen jener Staaten vorgegeben werden, in denen UNRWA operiert. Das ist nun nicht mehr möglich.
Seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien im Jahre 2011 setzt UNRWA auch auf sog. “alternative Studienwege”, mit dem Ziel, ihren Schülern etwa ein Selbst-Studium unter Krisen- und Kriegsbedingungen zu ermöglichen. Mit Beginn der COVID-19 Pandemie gab das Hilfswerk bis dato 4 Broschüren heraus, 3 für die Region Gaza und eines für die Palästinensischen Autonomiegebiete (PA). Diese Büchlein tragen das Signet des Hilfswerks und werden von den jeweiligen UNRWA-Erziehungsprogrammen verantwortet. Die Dokumente referenzieren die offiziellen PA-Unterrichtsmaterialien, sowohl sprachlich wie auch inhaltlich, zum Teil mit Verweisen auf konkrete Lektionen aber auch mit Zitaten.
Auf der Basis der von UNESCO festgelegten Standards für Frieden und Toleranz in der Erziehung, wendet IMPACT-se eine eigens entwickelte Untersuchungs-Methodologie an:
- Respekt gegenüber dem “Anderen”
- der “Andere” als Individuum
- ohne Hass
- keine Aufwiegelung
- gewaltfreie Konfliktbewältigung
- vorurteilsfreie Informationen
- gegenseitige Achtung der Geschlechter
Die Befunde sind niederschmetternd: IMPACT-se kommt zum Ergebnis, dass die durch UNRWA entwickelten und vertriebenen Unterrichtsmaterialien in keiner Weise mit den von den Vereinten Nationen propagierten Werten übereinstimmen. Diese Beurteilung gilt für alle Unterrichtsstufen, wobei in den höheren Klassen deutlich mehr fragwürdige Inhalte gefunden werden können. Im einzelnen belegt die Studie die folgenden Befunde anhand konkreten Beispiele:
Aufruf zu Gewalt, Jihad, Terrorismus und Märtyrertum Im UNRWA-eigenen Material finden sich Verweise, aber auch direkte Zitate aus PA-Materialien gewaltverherrlichender Natur und dem Aufruf, das eigene Leben zur Verteidigun der “Heimat” zu opfern. Dabei wird die Sprache des Jihad eingesetzt, und es werden bekannte Terroristen (konkret: Dalal Mughrabi) verherrlicht. Es ist erwähnenswert, dass UNRWA in der Vergangenheit geleugnet hat, jenen Teil des PA-Lehrplans zu unterrichten, in dem Mughrabi vorkommt und behandelt wird.
Ablehnung von Frieden IMPACT-se kann weder im PA-Unterrichtsmaterial noch in den UNRWA-Broschüren zum Selbststudium Erwähnung von Frieden als Ziel oder als Ideal finden. Auch in den Abschnitten zu Israel (genannt “der Feind”) wird Frieden nicht als Alternative dargestellt, ebensowenig wie Kompromiss, Vergebung oder offener Dialog.
Intoleranz, Geringschätzung und Dämonisierung Es findet sich keine Darstellung des individuellen “Anderen” oder eines nicht-palästinensischen Narrativs zu historischen Ereignissen. So wird als Ziel des Zionismus die Besetzung palästinensischen Landes zu strategischen Zwecken dargestellt, oder die Kreuzzüge als europäische Kriege gegen muslimische Länder. Der jüdisch-israelische Andere wird ausschliesslich negativ dargestellt, und indem es kein Narrativ zum “Anderen” gibt, resp. durch seine nicht individualisierte Darstellung in den UNRWA-Broschüren, werden die UN-Ziele Toleranz, Respekt und Verständigung missachtet.
Verleumdung und Verschwörungstheorien Israel und Zionismus werden ausschliesslich negativ belegt dargestellt. Der Brand in der Al-Aksa Moschee im Jahr 1969, der Vorwurf, Israel entsorge radioaktive und andere giftige Rückstände in der sog. “Westbank”, oder der systematische Diebstahl “palästinensischer Antiquitäten” sind als konkrete Beispiele dafür im Bericht aufgeführt. Sie belegen, wie mit solchen Mitteln Angst und Hass auf Israel geschürt werden.
Konflikt-orientierter Diskurs Der “palästinensische Konflikt” wird in den Fokus des UNRWA-eigenen Unterrichtsmaterials gestellt und thematisiert: so werden Vergleiche zur spanischen Inquisition mit den Verhältnissen in israelischen Gefängnissen gezogen, oder die Schüler werden in einer Rechenaufgabe aufgefordert, die Gesamtzahl der Opfer der Ersten Intifada zu bestimmen. Israels Darstellung als “der Feind” im dichotomischen Bild “wir gegen sie” widersprechen den UNO Grundsätzen der Friedensstiftung und der friedlichen Beilegung von Konflikten.
Voreingenommenheit und fehlende Neutralität Das UNRWA-eigene Material übernimmt das palästinensische Narrativ einer pan-arabischen Einheit im PA Lehrplan, ohne es zu hinterfragen: die “arabische Heimat” implizierteine Einheitsfront der arabischen Staaten, welche künstlich aus kolonialen Gebieten hervorgegangen seien.; der “rassistische Schutzwall” als Begriff für die Sicherheits-Barriere in Judäa und Samarien; die “zionistische Agression” für den Konflikt zwischen Israel und der Hamas in Gaza. Israel wird fast nie beim Namen genannt, aber mit Ausdrücken wie die Besatzungsmacht, die Zionisten oder schlicht als der Feind belegt. Im Zusammenhang mit Jerusalem ist von der ewigen Hauptstadt Palästinas gesprochen – was nicht einmal der langjährigen UNO-Position entspricht. Damit verletzt UNRWA das Gebot der Neutralität in der Darstellung im UNRWA-eigenen Material.
Leugnung der Existenz Israels Durchwegs wird im UNRWA-eigenen Unterrichtsmaterial die Existenz des Staates Israel negiert, immerhin eines UNO-Mitglieds seit über 70 Jahren. Es wird vom “Britischen Mandatsgebiet” gesprochen, allerding unter Ausklammerung des heutigen Jordaniens, wenn auf “Palästina” Bezug genommen wird. Auch das Gebiet, was innerhalb der anerkannten Waffenstillstandslinien von 1949 liegt, wird so bezeichnet.
Negierung des Jüdischen Die jüdische Geschichte der Region wird systematisch ausgeblendet. Dabei fehlen die Hinweise auf die anhaltende jüdische Präsenz oder eine nennenswerte Erwähnung jüdischer Kultur, welche dem UN-Grundsatz der Bereicherung der Lehrpläne widersprechen. Juden werden selten in einem neutralen Sinn erwähnt, vielmehr ist etwa durchgehend von der “Judaisierung Jerusalems” die Rede.
Frühere problematische Materialien Der Bericht stellt auch gewisse Fortschritte fest, wenn Begriffe und Formulierungen verbessert wurden, welche in der Vergangenheit im PA-Lehrplan zu bemängeln waren. So ist der Hinweis entfallen, Israel würde den Palästinensern das Wasser stehlen. Leider ist in anderen UNRWA-produzierten Materialien noch immer davon die Rede, Israel vergiftete das Wasser der Palästinenser. Da unklar bleibt, warum manche problematischen Themen nun – augenscheinlich absichtlich – entfernt worden sind, jedoch andere neu hinzukommen, kann man nicht von konsistenten Verbesserungen sprechen.
Phraseologie Der Begriff “zionistische Besatzung” wurde durch “israelische Besatzung” ersetzt (aber nicht einfach “Israel”). Darin unterscheidet sich das UNRWA-eigene Unterrichtsmaterial von den Lehrplänen der PA, doch sind die Begriffe weiterhin negativ besetzt. Erfreulicherweise fehlen der Aufruf zum Boykott israelischer Waren, und die Koranzitate, in denen zum Jihad aufgerufen wird, welche in anderen Texten zu finden sind. Die unterschiedliche Behandlung dieser Themen in den Texten aus Gaza und der sog. “Westbank” werfen ebenso weiter Fragen auf. Eine eigentliche Methodologie, wie von UNRWA behauptet, kann man nicht darin erkennen, dem widerspricht die wenig systematische Anwendung.
Insgesamt findet sich eine Vielzahl problematischer Inhalte, welche den UN-Grundsätzen widersprechen. Die Übernahme eines “palästinensischen oder pan-arabischen Narrativs” widerspricht dem Grundsatz der Neutralität; die ungeschminkten Versuche der Tilgung Israels, eines UN-Mitglieds und die einer jüdischen Präsenz in der Region; die Wiederholung aufwieglerischer Verschwörungsmythen zur Perpetuierung des Konflikts; oder die Ermunterung zur Konfliktlösung durch Gewalt und das Fehlen entsprechender Ermunterungen zur Friedensstiftung.
Die schweizerische Aussenpolitik hat sich zuletzt auffallend freundlich zur UNRWA geäussert, in einer klaren Abwendung der anfänglich durch Bundesrat Ignazio Cassis geäusserten Skepsis gegenüber der Organisation. Deutlich geworden ist diese Neu-Positionierung etwa in der “MENA-Strategie”, aber auch bei der Beantwortung des Postulats Nantermod zu Händen des eidgenössischen Parlaments, von der wir berichteten. Konkrete, aktuelle Anfragen von uns an das Eidgenössische Departement des Äussern blieben bisher – abgesehen von stereotypen Verweisen auf die genannten Papiere – unbeantwortet. In Bundesbern regiert anscheinend weiterhin das Motto “Abwarten und Aussitzen”.
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