
Der Schweizer Diplomat Pierre Krähenbühl schied, unter dem Mantel der Verschwiegenheit, aber dennoch öffentlich genug, am Ende des vergangenen Jahrzehnts, aus dem Amt als Generalsekretär des UNO-Palästinenserhilfswerks UNRWA. Seit Januar dieses Jahres ist seine Rückkehr in ein prestigeträchtiges internationales Amt bekannt. Er tritt ihn trotz deutlicher Kritik heute tatsächlich an: neu ist Krähenbühl Generaldirektor des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes. Erneut ist er “Aushängeschild” der Schweizer Diplomatie – aber hat er das verdient?
Auf “X” (vormals Twitter) wird heute die Frage gestellt – von jemand sehr Berufenem, dem kanadischen Juristen und jahrelangem Beobachter der Vereinten Nationen und seinen verschiedenen Unterorganisationen Hillel Neuer – ob denn dies der richtige Weg ist. Damit man es nicht falsch versteht: jeder Gestrauchelte hat Anspruch auf eine zweite Chance. Auch gibt es nicht an jeder Ecke geeignete Kandidaten, die in der Lage wären, ein derartig komplexes, im öffentlichen Rampenlicht stehendes Unternehmen wie das Rote Kreuz zu führen. Aber doch nicht unmittelbar nach einem Straucheln, das so prominent und medienwirksam begleitet worden war, wie das von Pierre Krähenbühl.
Gerade angesichts dieser Ausgangslage wäre es Krähenbühl gut getanden, nach seinem Ab- und erneutem Auftauchen erst einmal “kleinere Brötchen” zu backen, sich und der Öffentlichkeit zu zeigen, dass er dieses Vertrauen verdient hat. Der Schweizerische Bundesrat ist nicht bekannt dafür, seine personalpolitischen Entscheidungen von sich aus, wie man auf Neudeutsch sagt, proaktiv zu begründen. Es wäre aber diplomatisch geschickt gewesen – und es hätte bestimmt den Gegenwind etwas abgemildert – hätte er es in diesem Einzelfall getan, auch und gerade für den Menschen Pierre Krähenbühl. Gelegenheiten dazu hätte er zur Genüge gegeben, etwa nach dem vernichtenden Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung, vom 5. Januar dieses Jahres. Der Bundesrat zog es vor zu schweigen – “Aussitzen” ist eine beliebte Strategie der “sieben Zwerge”.
Gut angestanden wäre eine klar dargelegte Haltung der Schweiz nicht zuletzt auch, weil andere Länder und deren Politiker weitaus weniger leisetreterisch die unsägliche UNRWA-Affäre genüsslich hochkochen liessen. Am deutlichsten wurde dies etwa im öffentlich gemachten Schreiben von Sen. Jim Risch, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Aussenpolitischen Kommission des U.S.-Senats und seinen rund zwei Dutzend Mitunterzeichnern:
We urge you to find a more suitable candidate to lead the ICRC during this turbulent time.
ICRC Letter, datiert vom 4. März 2024
Ins gleiche Horn bliesen auch die republikanischen Mitglieder des U.S.-Repräsentantenhauses, die sich kurz vor Ostern an U.S. Aussenminister Antony Blinken wandten. Sie feuerten die “volle Breitseite” ihrer Munition gegen Krähenbühl ab:
The ICRC needs leaders with stellar records. Regrettably, Krahenbuhl’s tenure at UNRWA was filled with controversy, alleged corruption, antisemitism, and reported mismanagement of funds as well. On his watch, Hamas built terror tunnels underneath UNRWA facilities, and UNRWA used Hamas’s playbook in its curriculum.
Letter from Rep. Darrell Issa, vom 25. März 2024
Es ist nicht zu erwarten, dass diese Politiker, die nota bene im Herbst zur Wiederwahl anstehen, sich mit blossem Briefeschreiben begnügen werden. Vermutlich werden sie “Hearings” anberaumen, vielleicht gar Pierre Krähenbühl vorladen. Das ist Politik, das ist Wahlkampf in den Vereinigten Staaten. All dies braucht aber das IKRK nicht, all dies ist hinderlich bei ihrer zweifellos notwendige und wichtige Arbeit gerade in diesen Zeiten! Auch daran müsste es der schweizerischen Aussenpolitik gelegen sein, und der Bundesrat hätte all dies vermeiden können. Ist ein Pierre Krähenbühl das alles Wert? Auch diese Frage, konkret an die Adresse von Aussenminister Ignazio Cassis, hat die NZZ bereits im Januar gestellt. Das Schweigen in Bern ist vielsagend!
Dieser Beitrag wurde aktualisiert durch Thomas Morvay, vor 12 Monaten
Er hätte keine neue Gelegenheit verdient.