Zerrt die PA Israel erneut vor das ICJ?

Ya]ir Lapid, Israels geschäftsführender Premierminister und amtierender Aussenminister, spricht vor der UNO-Vollversammlung in New York, anlässlich deren 77. Sitzungsperiode (Copyright: imago / Pacific News Agency)

Letzte Aktualisierung am 3. Dezember 2022 durch Thomas Morvay

Jerusalem/Israel – Der geschäftsführend agierende Premierminister Israels Yaïr Lapid richtete diese Woche einen dringenden Appell an rund 50 Regierungen, in der UNO-Vollversammlung eine erneute Anrufung des Internationalen Gerichtshofs zu verhindern. Die Massnahme diene der Palästinensischen Autonomiebehörde, einmal mehr, zur Delegitimierung Israels. Nach Verabschiedung eines Resolutionsentwurfs Anfang November ist mit dessen Behandlung in der Vollversammlung noch im laufenden Monat zu rechnen.

Am 11. November 2022 verabschiedete das zuständige Komitee – Special Political and Decolonization Committee (Fourth Committee) – zuhanden der UNO-Vollversammlung einen Resolutionsentwurf. Unter der Bezeichnung “Israeli practices and settlement activities affecting the rights of the Palestinian people and other Arabs of the occupied territories” soll die von mehreren arabischen und muslimischen Staaten, sowie von der Palästinensichen Autonomiebehörde (im UN-Sprachgebrauch “State of Palestine” genannt), wird eine “advisory opinion” des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag angestrebt:

  1. Decides, in accordance with Article 96 of the Charter of the United Nations, to request the International Court of Justice, pursuant to Article 65 of the Statute of the Court, to render urgently an advisory opinion on the following questions, considering the rules and principles of international law, including the Charter of the United Nations, international humanitarian law, international human rights law, relevant resolutions of the Security Council, the General Assembly and the Human Rights Council, and the advisory opinion of the Court of 9 July 2004:
    (a) What are the legal consequences arising from the ongoing violation by Israel of the right of the Palestinian people to self-determination, from its prolonged occupation, settlement and annexation of the Palestinian territory occupied since 1967, including measures aimed at altering the demographic composition, character and status of the Holy City of Jerusalem, and from its adoption of related discriminatory legislation and measures?
    (b) How do the policies and practices of Israel referred to in paragraph 18 (a) above affect the legal status of the occupation, and what are the legal consequences that arise for all States and the United Nations from this status?
Resolutionsentwurf zuhanden der UN-Vollversammlung, verabschiedet im Fourth Committee am 11. November 2022

Erkennbar wird dabei – im Absatz 18 (b) – angestrebt den Gerichtshof aufzufordern, Israel das Existenzrecht abzusprechen. Auch wenn der Gerichtshof, nach gängiger Rechtsauffassung zum internationalen Recht, keine bindende Entscheidung fällen kann, hat die Erfahrung mit dem vorgängigen “advisory opinion” aus dem Jahr 2004 zur Rechtmässigkeit der Schutzbarriere um Judäa und Samaria gelehrt, welche potenzielle Sprengkraft diesen innewohnt. Dies demonstriert nicht zuletzt das Abstimmungsergebnis: mit 98 Stimmen für und nur 17 Stimmen gegen, bei 52 Enthaltungen ist die Staatengemeinschaft tief gespalten. Die Stimmenthaltung der Schweiz – wie gewohnt mit der Neutralität begründet – kann an dieser Stelle auch nur als irritierend und irregeleitet gesehen werden. Selbst unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vermag nur eine Minderheit sich eindeutig zu positionieren, wenngleich es eine willkommene Veränderung gegenüber den Vorgängerregierungen darstellt, wenn nun Deutschland sich endlich auch in der UNO zu seiner Verantwortung gegenüber Israel bekennt und dies mit seinem Abstimmungsverhalten dokumentiert:

Dies wird den, noch während der Koalitionsgesprächen geschäftsführenden, Premierminister Israels dazu veranlasst haben, einen vor gravierenden Folgen warnenden Brief an 50 Staats- und Regierungschefs zu richten, die Anrufung des Gerichts zu verhindern. Er erinnerte die Staaten an ihre Verantwortung für den Staat Israels und appellierte an “unsere Freunde”, in diesen Zeiten “zu uns zu stehen”. Mit einer Abstimmung in der UN-Vollversammlung wird nach dem aktuellen Erkenntnisstand noch in diesem Jahr gerechnet.

I urge your country to exercise your influence on the Palestinian Authority so that they refrain from promoting this dangerous move at the General Assembly. If the Palestinians continue to ignore these requests and this resolution is brought to a vote in December, I hope and expect that your country will vote against it and voice your clear concerns regarding its dangerous ramifications. At times like this, we look to our friends to stand with us.

Israel Ministry of Foreign Affairs, November 28, 2022
Über Thomas Morvay 311 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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