Wahlkampf in Washington

Aber warum muss es auf Israels Rücken ausgetragen werden?

PM Benjamin Netanyahu and President Donald Trump in Jerusalem (Photo credit: The White House - public domain)

Letzte Aktualisierung am 6. Mai 2020 durch Thomas Morvay

Dass im November in den Vereinigten Staaten ein neuer Präsident gewählt wird, ist bekannt. Dass die Haltung der jeweiligen Kontrahenten bezüglich Israel ein Schlüsselelement jeder Präsidentenwahl ist, ebenso. Entsprechend aufmerksam verfolgt man daher in Israel die Positionierungs-Rituale der Kandidaten.

Hektik kam auf, als sich in Israel abzuzeichnen begann, dass die seit über einem Jahr andauernde Patt-Situation, welche Israel bereits 3 Urnengänge beschert hatte, in eine neue, vierte Runde gehen könnte. Und der Paukenschlag einer Koalitionsvereinbarung zwischen Benjamin Netanjahus Likud und Benny Gantz’ Blau-Weiss zwang beide Lager in Washington zu Klarstellungen in Bezug auf ihre Haltung. Es begann in der letzten Aprilwoche, als zwei massgebliche Architekten der Nahostpolitik Obamas, welche voraussichtlich auch unter einem Präsidenten Biden eine Rolle spielen würden, sich in der bekannten Zeitschrift Foreign Policy zu Wort meldeten. Philip Gordon und Robert Malley forderten nicht weniger als eine klare Distanzierung des Kandidaten Biden von den Annexionsplänen einer möglichen grossen Koalition in Israel.

Dieser Forderung und den dazu gelieferten Schlussfolgerungen widersprach David Friedman, US-Botschafter in Jerusalem und ein weithin als “Freund der Siedler” charakterisiertes Mitglied der Trump-Administration. Er umschrieb in nicht minder klaren Worten, die Politik der Vorgängerregierung, zu deren massgeblichen Architekten – wie bereits erwähnt – Gordon und Malley zählen, als “häufig falsch, aber niemals zweifelnd”. Falsch sei auch die nun erhobene Forderung der beiden an den Herausforderer. Denn erstens würde eine teilweise Annexion der “Westbank” Israels Zukunft als jüdischem Staat nicht infrage stellen. Die Anwendung israelischen Rechts im Jordantal und den grossen Siedlungsblöcken würde gerade den jüdischen Charakter des Staates fördern, und nicht schmälern. Ebensowenig würde der Schritt Israels Charakter als demokratischer Staat einschränken. Im Gegenteil, so Friedman, es bestünde unter Israelis eine grosse Übereinstimmung in dieser Frage. Zudem wäre dies der Vision “zwei Staaten für zwei Völker” zuträglich, denn durch die klare Aufteilung erhielten beide die Chance, frei über ihre jeeiligen Regierungen bestimmen zu können.

Und damit würde, so Friedmans Argument, eben der Zwei-Staaten-Lösung notwendiger Support zuteil. Die gegenwärtige Administration sei “die erste und einzige”, welche eine israelische Verpflichtung zu klaren Zielen, Bedingungen und territorial klar definierten Gebieten für eine Friedenslösung erreicht hätten. Und diese ermöglichten auch den Palästinensern die Realisierung eines Staates, auf einem Gebiet, das in etwa dem Doppelten der gegenwärtigen Landmasse entspräche. An den gescheiterten Rezepten vergangener Administrationen festhalten zu wollen sei falsch, und untergrabe die Bemühungen der aktuellen Administration. Gordon und Malley würden gar die finanziellen Mittel an Israel kürzen, um ihrer Vision Nachdruck zu verleihen. Mit diesem Hinweis erinnerrt Friedman übrigens an die Drohung des damaligen Senators Biden an Menachem Begin. Bei dessen Auftritt vor dem US-Senat im Jahre 1982,sprach Biden sich schon gegen die Besiedlung der Gebiete Jehuda und Schomron aus und drohte, der parteiübergreifende Support für den jüdischen Staat würde Schaden nehmen, hielte die israelische Regierung an dieser Politik fest.

Der am selben Tag öffentlich gemachte Brief an die Leitung der US-Demokraten – zu den Unterzeichnern gehörten selbstverständlich auch Gordon und Malley – schlug in die gleiche Kerbe. Das Parteiprogramm müsse die Ungerechtigkeit der einseitigen Stellungnahmen vergangener Tage zugunsten Israels berichtigen und eine neue Balance finden. Was den Wahlkampf in Amerika betrifft, so bin ich mir nicht sicher, ob mit solchen Schritten die Erfolgschancen des Kandidaten Biden nicht eher geschmälert werden. Sicher ist jedoch, dass sich Israel in so entscheidenden Fragen nicht äusserem Druck beugen wird. Daran hat sich seit dem berühmten Ausspruch von Moshe Dayan nichts geändert: wir sind allen dankbar für Panzer und Flugzeuge, für die Ratschläge und monetären Hilfen – gerne nehmen wir das Geld und die Waffen und tun stets das, was in unserem eigenen Interesse das Beste ist!

Über Thomas Morvay 311 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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