Tauwetter nach Bennetts Besuch im Weissen Haus?

Handschlag im Oval Office: der US-Präsident Joe Biden und Israels Ministerpräsident bei ihrem ersten Treffen am 27. August 2021 im Weissen Haus. Photo credit: imago/ZUMA Copyright: Sarahbeth Maney

Letzte Aktualisierung am 2. September 2021 durch Thomas Morvay

Jerualem/Israel – Es war zu erwarten gewesen: nach dem – wegen des Anschlags auf den Flughafen in Kabul um einen Tag verschobenen – ersten Besuch des israelischen Regierungschefs bei Joe Biden, gerät augenscheinlich alles in Fluss. Bei aller Euphorie, nicht zuletzt geschürt durch den erleichterten Bennett, gilt es genauer hinzuschauen. Was kam wirklich unter dem Strich heraus, was die künftige Zusammenarbeit zwischen Jerusalem und Wahington prägen wird?

Naftali Bennett ist, seit Menachem Begin, der erste “frume” israelische Regierungschef im Weissen Haus. Das hatte eine direkte Konsequenz. Als die Verschiebung des Treffens mit Biden bekannt wurde, war klar, dass die israelische Delegation den Schabbat in den USA verbringen würde. Es begann eine hektische Suche und Treiben, um alles zu organisieren. Eine sehr interessante Beschreibung dazu liefert die ebenfalls orthodoxe Journalistin Lahav Harkov in der Jerusalem Post.

Anberaumt waren 25 Minuten, tatsächlich dauerte das Aufeinandertreffen fast eine Stunde. Biden lud dabei seinen Gast dann sogar ein, ihm beim Nachmittags-Kaffee Gesellschaft zu leisten – eine Geste von besonderer Bedutung, welche im Vorfeld nicht kommuniziert worden war. Offensichtlich war es dem US-Präsidenten ein Anliegen, diese besondere Note zu setzen. Das ging über eine blosse Geste hinaus, selbst wenn man bedenkt, dass der durch die Krise in Kabul viel kritisierte und angezählte Präsident unbedingt einen aussenpolitischen Erfolg brauchte. Die Einladung bedeutet ganz klar, dass auch die Vereinigten Staaten bereit sind, und ihren Gast aus Jerusalem indirekt auch auffordern, ein neues Kapitel aufzuschlagen: auch Joe Biden hat die Jahre der, von ihrem ersten Zusammentreffen an angespannten Bezieungen zwischen Barack Obama und Benjamin Netanjahu, noch in Erinnerung. Keine Überraschungen – das Versprechen der beiden an den jeweils anderen – klang aufrichtig.

Hier ist, was auffallend schmallippig herausgekommen ist, und zumindest zum Nachdenken anregt. Biden sagte:

We’re also going to discuss Israel’s unwavering — unwavering commitment that we have in the United States to Israel’s security. And I fully, fully, fully support replenishing Israel’s Iron Dome system.

Quelle: The White House

Schmallippig, weil das alles war, was der US-Präsident zu diesem Punkt öffentlich zu sagen bereit ist. Zum Nachdenken, aufgrund der Formulierung “Israel’s security”. Das hört sich auffallend gleichlautend zu – beispielsweise – dem Sprachgebrauch Deutschlands an, wo die Sicherheit des Staates Israel zur Staatsräson gehört. Im Falle Deutschlands ist man sich durchaus bewusst, dass diese Garantie wenig bedeutet und zu einer leeren Floskel geworden ist. Diese Formulierung unterscheidet sich zudem markant von den Erklärungen, nicht nur der unmittelbaren Vorgänger-Administration, aber auch früherer Präsidenten, die sich etwa zur unzerbrüchlichen Freundschaft zwischen beiden Nationen bekannt hatten. Dass sich der US-Präsident ausgerechnet mit der Formulierung “unwavering commitment to Israel’s security” schwer tut, lässt zumindest aufhorchen. Der israelische Premierminister reagierte dann auch, indem er in seiner Antwort zum selben Themenkreis ausführte:

We trust in your support, Mr. President. And Israel knows that we have no better or more reliable ally in the world than the United States of America. […]

And that’s why I want to thank you, Mr. President, for helping, yet again, to fortify Israel’s strategic advantage.

As I told you, Mr. President, Israel never had and never will ask America to send troops to defend ourselves. That’s our job. We will never outsource our security. It’s our responsibility to take care of our fate.

Quelle: The White House

Das sind neue Töne, einzig das Bekenntnis zu “Israel’s strategic advantage” erinnert an vergangene Tage – und selbst dabei verwendet auch Bennett einen neuen Begriff, denn bisher war stets von “qualitative military edge” (QME) die Rede gewesen – seit dem Jom-Kippur-Krieg! Dass Bennett von “ally”, anstatt von “friend” spricht, ist hierbei ebenso bemerkenswert, wie die Zusicherung, man werde nie darum bitten, dass amerikanische Leben für die Verteidigung Israels riskiert würden. Eine solche Aussage war in der Vergangenheit niemals notwendig gewesen, und folgedessen auch nie geäussert worden!

Es war angekündigt, dass Bennett Vorschläge im Gepäck mitführen würde, wie aus der Sicht Israels dem iranischen Spurt zur Atombombe und seinen hegemonialen Bestrebungen in der Region, auch ohne Rückkehr zu einem – wie auch immer gearteten – Atom-Deal zu begegnen sei. Man achtete daher besonders auf die Formulierung Bidens zu diesem Thema:

And we also are going to discuss the threat from Iran and our commitment to ensure Iran never develops a nuclear weapon. And — but we’re putting diplomacy first and seeing where that takes us.

But if diplomacy fails, we’re ready to turn to other options.

Quelle: The White House

Dabei bedeutet “diplomacy first” eine Zurückweisung der israelischen Vorschläge, darüber kann es keinen Zweifel geben. Was die “anderen Optionen” betrifft, so benutzt Biden eine Entwicklung als Ausflucht, zu der er weder beigetragen hat, und das sein Pressesprecher, wie auch jener des US-Aussenministeriums, während Monaten nicht beim Namen genannt hat: die “Abraham Accords”. Auch Biden vermeidet den Ausdruck, während er einen Anflug von Unterstützung – die Realität hat ihn hier längst eingeholt – stotternd andeutet:

We’ll support Israel’s developing deeper ties, as well, with the Arab and Muslim neighbors and — and globally. That’s a trend that I think should be encouraged and not discouraged. And we’re going to do all we can to be value added.

Quelle: The White House

Diese wenigen Beispiele sollen genügen, als Beleg dafür, dass der Nimbus, welchen der US-Präsident für sich beansprucht, aus 40 Jahren im US-Senat und als ehemaliger Vorsitzender der bedeutendsten Kommissionen des Oberhauses, leider dem Realitätscheck nicht standhält. Biden ist kaum mehr als eine Marionette, der mittlerweile routinemässig vor den Fragen von Journalisten davonläuft und der zunehmend nicht fähig ist, von Blatt oder vom Teleprompter fehlerfrei abzulesen. Das soll der Führer der freien Welt sein?

Das muss auch uns Juden in der Diaspora, ganz besonders in Europa, beunruhigen: ein Amerika, das sich nicht nur aus der Welt zurückzieht, aber das auch bereits gemachte Zusagen im Zweifelsfall nicht honoriert – wie aktuell in Afghanistan – kann kein Garant in Sicherheitsbelangen sein. Ein Europa – nota bene – das ohne die Vereinigten Staaten nicht einmal die eigenen Militärkräfte aus der Gefahrenzone zu bringen imstande ist: die “Luftbrücken” Deutschlands, Frankreichs oder des Vereinigten Königreichs, konnten nur solange betrieben werden, als amerikanische Truppen den Flughafen schützten. Angesichts dessen ist eine “kleine” Panik angebracht!

Zum Abschluss noch dies, wenigstens etwas, was in keiner Biden-Rede der vergangenen Jahrzehnte gefehlt hat:

And I’ve known every Israeli Prime Minister since Golda Meir, and gotten to know them fairly well. And I look forward to us establishing a strong, personal relationship.

Quelle: The White House

Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Über Thomas Morvay 311 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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