„Nie wieder“ ist jetzt! – Doch die Welt reagiert wie gewohnt!

Menschen versammeln sich und zünden Kerzen an, um den Opfern der Terroranschläge und den Verschleppten zu gedenken und zu erinnern (Lizenz: imago; Photo Credit: Tomer Neuberg)

Letzte Aktualisierung am 15. Oktober 2023 durch Thomas Morvay

Vor einer Woche griffen Terroreinheiten der Hamas den Süden Israels an und ermordeten hunderte von Menschen. Inzwischen ist die anfänglich grosse Solidarität reflexartig der, leider, vertrauten auf Äquidistanz bedachten Haltung gewichen. Sie beweisen einmal mehr: nur tote Juden sind gute Juden!

Citizens of Israel, we are at war. Not an operation, not a round, at war! This morning Hamas initiated a murderous surprise attack against the state of Israel and its citizens.

Benjamin Netanjahu, 7. Oktober 2023

Good afternoon. Today, the people of Israel are under attack, orchestrated by a terrorist organization, Hamas.

In this moment of tragedy, I want to say to them and to the world and to terrorists everywhere that the United States stands with Israel. We will not ever fail to have their back.

We’ll make sure they have the help their citizens need and they can continue to defend themselves.

You know, the world has seen appalling images: thousands of rockets in the space of hours raining down on Israeli cities. When I got up this morning and started this at 7:30, 8 o’clock — my calls.

U.S. President Joe Biden, am 7. Oktober 2023 14:38 EDT

The Prime Minister spoke to Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu this afternoon, following deadly attacks by Hamas against Israel.  

He reaffirmed that the UK will stand with Israel unequivocally against these acts of terror. The Prime Minister offered Prime Minister Netanyahu any support Israel needs.

The Prime Minister outlined the diplomatic work the UK is doing to ensure the world speaks with one voice in opposition to these appalling attacks. Prime Minister Netanyahu thanked the Prime Minister for the UK’s support.

UK Prime Minister Rishi Sunak, 8. Oktober 2023

Doch bereits im gemeinsamen Communiqué der ‚Quint‘ – die Regierungschefs von US, UK, Deutschland, Frankreich und Italien – keine 2 Tage nach den grauenvollen Bildern und Berichten, und völlig ohne jeden Bezug zur Realität, werden die „berechtigten Hoffnungen der Palästinenser“ betont. Was, bitte, hat es damit zu tun?

Today, the leaders of France, Germany, Italy, the United Kingdom and the United States of America released the following joint statement following their call:

Today, we — President Macron of France, Chancellor Scholz of Germany, Prime Minister Meloni of Italy, Prime Minister Sunak of the United Kingdom, and President Biden of the United States — express our steadfast and united support to the State of Israel, and our unequivocal condemnation of Hamas and its appalling acts of terrorism.

We make clear that the terrorist actions of Hamas have no justification, no legitimacy, and must be universally condemned. There is never any justification for terrorism.  In recent days, the world has watched in horror as Hamas terrorists massacred families in their homes, slaughtered over 200 young people enjoying a music festival, and kidnapped elderly women, children, and entire families, who are now being held as hostages. 

Our countries will support Israel in its efforts to defend itself and its people against such atrocities. We further emphasise that this is not a moment for any party hostile to Israel to exploit these attacks to seek advantage.

All of us recognise the legitimate aspirations of the Palestinian people, and support equal measures of justice and freedom for Israelis and Palestinians alike. But make no mistake: Hamas does not represent those aspirations, and it offers nothing for the Palestinian people other than more terror and bloodshed.

Over the coming days, we will remain united and coordinated, together as allies, and as common friends of Israel, to ensure Israel is able to defend itself, and to ultimately set the conditions for a peaceful and integrated Middle East region.

Joint Statement from Quint Leaders on Israel, 9. Oktober 2023

Und der Aussenbeauftragte der Europäischen Union, Josep Borrell hatte am Tag der fürchterlichen Gemetzel auch nur die üblichen Retorten und Floskeln bereit, ohne das Wort Terrorismus überhaupt in den Mund zu nehmen. Er war der erste, der – noch vor der ersten militärischen Antwort Israels – bereits auf die „Einhaltung des internationalen Rechts“ pochte, und damit unweigerlich relativierend wirkte. Klar, dass andere ihm in den Tagen danach folgten, und klar, dass damit auch die Tonalität der Berichterstattung gesetzt war.

The EU condemns in the strongest possible terms the multiple and indiscriminate attacks across Israel by Hamas and deeply deplores the loss of lives.

The EU calls for an immediate cessation of these senseless attacks and violence, which will only further increase tensions on the ground and seriously undermine Palestinian people’s aspirations for peace. 

The EU stands in solidarity with Israel, which has the right to defend itself in line with international law, in the face of such violent and indiscriminate attacks.

The EU recalls the importance of working towards a lasting and sustainable peace through reinvigorated efforts in the Middle East Peace Process.

Statement by the High Representative on behalf of the European Union on the attacks against Israel, 7. Oktober 2023

Israel mobilisierte in knapp zwei Tagen 300‘000 Reservisten, und fuhr zugleich die Reaktion, zunächst immer massivere Luftschläge, hoch. Und motivierte damit nur jene noch stärker, die dem jüdischen Staat das Recht auf Selbstverteidigung eh absprachen. Sie gingen auf die Strasse, an Stelle der weiss-blauen Flaggen mit dem Judenstern dominierten wieder die Farben der Palästinenser das Strassenbild. Die symbolischen Beflaggungen von Rathäusern und anderen öffentlichen Gebäuden gingen darin weitgehend unter, zumal sie – wie beispielsweise in Basel – erst mehrere Tage später überhaupt gehisst wurden.

Die Vorbereitungen der israelischen Streitkräfte gelten aktuell als abgeschlossen, die angekündigte Bodenoffensive steht unmittelbar bevor. Wie es scheint, ist die bis vor Kurzem geltende Doktrin, dass ein solcher Einmarsch unweigerlich in Strassenkämpfe mündet, die angesichts der Demografie und der Tunnelsysteme in den Städten fast zwingend massive israelische Verluste nach sich zögen, anderen Strategien gewichen. Öffentlich verfügbare Unterlagen deuten folgende Szenarien an: weitere Intensivierung der Luftschläge und massiver Beschuss mit Artillerie vom Meer aus und aus den vorbereiteten Stellungen entlang der Grenze, dürften länger andauern, währenddessen hauptsächlich Spezialkräfte vorrücken. Ihre Aufgaben dürften darin bestehen, die rund 150 Geiseln aufzuspüren, und in zweiter Linie den Einmarsch vorzubereiten. Mit welchen Mitteln die in der Stadt Gaza weit verzweigten Tunnel neutralisiert werden, unterliegt der strengen Geheimhaltung, aber es ist. Davon auszugehen, zumindest die Zugänge durch intensive Aufklärung und Spionage bereits bekannt und sorgfältig kartografiert sind. Die Infanterie und die motorisierten Kräfte werden erst danach über die Grenzen kommen, dafür aber massiv und mit möglichst rapiden Geländegewinnen.

Soweit die Theorie. Wie jeder militärisch Geschulte weiss, überleben solche Gedankenspiele kaum die ersten Minuten einer Schlacht. Doch, es gilt auch, dass jede israelische Einheit von vorne geführt ist, d.h. dass die Offiziere buchstäblich die Vorbilder ihrer Soldaten sind. Und damit ist das IDF auch bestens gerüstet, die Strategien an die sich laufend ändernden Begebenheiten anzupassen und akkurate Informationen an die Kommandozentren zu liefern. Diese erweitern die Echtzeit-Informationen, welche durch technische Hilfen an sich schon erstklassige Daten gewährleisten. Der Kampf bleibt dennoch „asymmetrisch“: den technisch und ausbildungsmässig hervorragend geschulten Soldaten stehen auf der anderen Seite ideologisch bestens indoktrinierte und wild bis fanatisch entschlossene Kämpfer in den Terrormilizen gegenüber.

Über allem steht die Befürchtung einer regionalen Ausweitung des Kampfes. Der Iran dürfte alles daran setzen, israelische Kräfte in einer zweiten Front zu bilden. Sei es durch ihre Stellvertreter, im Libanon und auch durch den eigenen Aufmarsch in Syrien. Um sie davon abzuhalten, hat die israelische Luftwaffe die beiden grössten Flughäfen – Damaskus und Aleppo – bombardiert, und sie ist in der Lage, diese Bombardierungen jederzeit wieder aufzunehmen. Die NATO hat im östlichen Mittelmeer eine massive Feuerkraft versammelt, und kann, wenn es die Lage erfordert, mit Fliegern und Marschflugkörpern jederzeit einen Bombenteppich über die Stellvertreter der Mullahs ausbreiten. Erst recht, wenn die Aufklärung ein Bild ermitteln sollte, dass auf das Leben der Geiseln keine Rücksicht mehr genommen werden müsste.

Israel schien im bisherigen Verlauf des Krieges überrumpelt. Es ist zu hoffen, dass es dem IDF gelingt, das Diktat zu übernehmen und ihrerseits den Terroristen ihren Kampf aufzuzwingen. Der Kampf um die „internationale Meinung“ wird jetzt endgültig zweitrangig.

Über Thomas Morvay 311 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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