Die Emotionen kochen hoch, seitdem in der Koalitionsvereinbarung zwischen dem Likud und Blau-Weiss festgelegt ist, dass eine Gesetzesvorlage in der Knesset eingebracht werden kann, welche darauf abzielt, in Teilen des Gebiets, welches Israel im Rahmen des Sechs-Tage-Krieges von 1967 erobert hat, israelisches Recht anzuwenden. Das ist Teil des Trump-Plans und nun hat sich Benjamin Nertanjahus Koalitionspartner Benny Gantz verpflichtet, diesen umzusetzen.
(Jerusalem/Israel) – Als ein wesentliches Element des Trump-Planes gilt, dass er die seit Jahrzehnten existierenden Fakten, über die auch in den, nach dem Muster “Land-für-Frieden” geführten, Verhandlungen grundsätzliche Einigkeit zwischen den Parteien herrschte, festschreibt. So hat kein Mensch in Zweifel gezogen, was die zahlreichen Bücher über den Konflikt und den Gesprächen zu seiner Beendigung als Konsens beschrieben worden ist: das Jordantal und die grossen Siedlungsblöcke werden auf jeden Fall Teil Israels bleiben. Doch nun, da sich die neue israelische Regierung anschickt, dies durch die Verabschiedung von Gesetzen im Parlament in geltendes Recht umzuwandeln, ist die Aufregung gross. Der deutsche Aussenminister Heiko Maas eilt nach Jerusalem und bekundet seine “ernste Besorgnis”. Und vom jordanischen Amman aus erklärt er, gemeinsam mit seinem jordanischen Amtskollegen und dem Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde, die Verhinderung der Annexionspläne hätte Priorität.
Unter Annexion versteht man den gewaltsamen Gebietserwerb eines Staates auf Kosten eines anderen.
Wörterbuch des Völkerrechts, Berlin 1960, Band 1, S. 68
Doch wem gehörte das Gebiet, völkerrechtlich gesehen, bevor es durch Israel erobert wurde? Als letzte Staatsmacht, welche Besitz beanspruchen durfte, gilt nach allgemeinem Verständnis das Ottomanische Reich. Grossbritannien hat sie in der Balfour-Deklaration von 1917 den Zionisten zur Schaffung einer Heimstätte für das jüdische Volk versprochen, und der Völkerbund hat dieses Versprechen im Mandat über Palästina verbrieft. Die durch das damalige Transjordan im Jahre 1949 erfolgte Annexion erfuhr niemals völkerrechtliche Anerkennung, sodass nun abschliessend klar festgestellt werden kann, nach den Türken hätte kein Staat einen Anspruch auf dieses Gebiet gehabt. Das muss aber nach der obigen Definition bedeuten, es könne heute auch nicht von einer Annexion durch Israel gesprochen werden.
Sauber ist nur die Formulierung der Anwendung israelischen Rechts. Dazu muss man wissen, dass heute im Jordantal und in den Siedlungsblöcken die Proklamationen der Militärmacht Grundlage der Rechtsanwendung bilden. Wenn sie heute fälschlicherweise als “Annexion” bezeichnet werden, so ist das bestenfalls Ausdruck einer unwissenden Naivität, aber vielmehr einer klaren politischen Agenda, welche den Anspruch Israels niegiert, und das Ansinnen als völkerrechtswidrige Handlung in der Wahrnehmung verankern will. Das tut insbesondere die EU, und das tat – welch eigenartiger “Zufall” – bis unmittelbar vor seiner Reise nach Jerusalem und Amman, der Bundesaussenminister. Während früher stets erklärt wurde, die Pläne seien klar völkerrechtswidrig, so ist man sich heute nur noch “einig, dass eine Annexion gegen das Völkerrecht” verstossen würde. Und da insbesondere keine Sanktionsdrohungen im Raum stehen, ja diese ausdrücklich als wenig hilfreich in der Diskussion verneint werden, ist dieses Verstecken hinter gemeinsamen Positionen nichts anderes als das Verlassen eben dieser Position.
Es ist aktuell noch nicht klar auszumachen, wohin dieser Positionswechsel Deuschlands führt. Ja, es ist noch nicht einmal klar, woher der plötzliche Sinneswandel kommt. In Israel selbst wurde er klar als Zugeständnis verstanden, dass sich Deutschland mit gewissen Schritten Israels arrangieren wird, und insbesondere nicht aktiv die Verhängung von Sanktionen in Brüssel zu unterstützen gedenkt. Die überwiegende Mehrheit der Kommentatoren strich heraus, dass der deutsche Besucher zur Kenntnis nehmen musste, Israel werde als verantwortungsvoller Akteur, in Abstimmung mit den Vereinigten Staaten [und nicht mit Europa oder mit Deutschland, Anm. der redaktion] handeln werde.
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