Langer Tag für Heiko Maas

Über Sinn und Erfolg der Reise wird die Geschichte urteilen

Bundesaussenminister Heiko Maas (Photo credit: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0)

Letzte Aktualisierung am 11. Juni 2020 durch Thomas Morvay

Der deutsche Aussenminister bricht am Mittwoch nach Israel und Jordanien auf. Es ist dies die erste Auslandsreise zu einem Ziel ausserhalb Europas seit Ausbruch der Corona-Pandemie, was ihr eine hohe Symbolkraft verleiht. Ob jenseits der Symbolik noch etwas übrig bleibt, wird erst die Zukunft weisen.

(Jerusalem/Israel) – Die deutsche Regierung wird seit Jahr und Tag nicht müde, für eine Verhandlungslösung des Nahostkonflikts, auf der Basis der Zwei-Staaten-Lösung, zu werben. Und wie ein Mantra wiederholt sie dabei, die israelische Besatzung der Gebiete und die Siedlungen von Juden dort, die ein Grossteil der Welt als “Westbank” kennt, und welche die wenigsten mit ihrer biblischen Bezeichnung Judäa und Samarien identifizieren, sei illegal nach internationalem Recht. Ebenso wie die seit der Amtseinführung der neuen israelischen Regierung – im Rahmen des Trump-Plans – diskutierte Anwendung israelischen Rechts in Teilen dieser Gebiete, welche fälschlicherweise als Annexion bezeichnet wird.

Doch seit Bekanntwerden dieser Reise werden diese Aspekte, man kann es nicht mehr anders ansehen, heruntergespielt, zu Gunsten der Betonung der 55 Jahre diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland. Und auf ein Mal hat das Auswärtige Amt sehr viel Verständnis und Sympathie für die Mahnungen des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zu Iran. Zu hören ist plötzlich, man sei “besonders besorgt” in Berlin über die systematischen Verletzungen des Atom-Deals durch den Iran – zuletzt am vergangenen Montag in der Regierungspressekonferenz:

Ich kann nur sagen: Es ist gut, dass der Außenminister nach Israel reist, um dort das erste ausführliche Gespräch mit der neuen Regierung zu führen. Das entspricht der Bedeutung der deutsch-israelischen Beziehungen. Die Haltung der Bundesregierung zu gerade auch den kritischen Themen wird er dort natürlich vorbringen, so wie wir sie hier ja auch schon mehrfach öffentlich vorgetragen haben. Es entspricht der deutsch-israelischen Freundschaft und der Tiefe unserer Beziehungen, dass bei diesen Gesprächen Offenheit herrscht und dass man da, wo es Meinungsverschiedenheiten gibt, offen miteinander spricht, weil die Israelis wissen, dass wir unsere Haltung auf der Basis eines ganz klaren Eintretens für Israels Sicherheit und Israels Staatlichkeit vertreten.

Regierungssprecher Seibert, am 8. Juni 2020

Bundesaussenminister Heiko Maas landete am Mittwoch, kurz nach 12 Uhr Lokalzeit auf dem internationalen Flughafen Ben-Gurion, wo er von seinem israelischen Amtskollegen Gabi Ashkenazi begrüsst wurde. Beide stellten sich zum obligaten Fototermin zunächst mit Mund-Nasen-Schutz und Sicherheitsabstand, bis jemandem auffiel, dass das Verhüllen von Gesichtern nicht die hohe Kunst der Diplomatie darstellt. Dann gaben sie sich den in Israel weit verbreiteten “elbow-bump” – leider sah dies nicht weniger gekünstelt aus: die Nervosität war auf beiden Seiten evident, was weder dem Routinier Maas, noch dem langgedienten General Ashkenazi schmeichelte.

Vor ihrem Gespräch und der Unterzeichnung eines Vertrages, in dessen Rahmen Deutschland in den kommenden Jahren die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem weiterhin mit Milliardenbeträgen unterstützen wird, stellten sich die beiden Aussenminister noch der internationalen Presse. Ashkenazi begrüsste seinen Gast in einem vorbereiteten Statement herzlich. Er verwies darauf, dass sich – durch US-Präsident Trumps Freidensinitiative vorallem Chancen in der Region ergäben.

In Israel wird man den Plan in verantwortungsbewusster Weise verfolgen, in Abstimmung mit den Vereinigten Staaten, mit dem Ziel die bestehenden Friedensabkommen [mit Ägypten und Jordanien – Anm. der Redaktion] zu erhalten und den Sicherheitsinteressen Israels genüge zu tun. Israel strebt nach Frieden und Sicherheit.

Ich danke einmal mehr der Bundesregierung für ihre kürzliche Entscheidung, die Hisbollah als Terrororganisation einzustufen. Wir apellieren an die EU, Deutschlands Beispiel zu folgen.

Israels Aussenminister Gabi Ashkenazi, 8. Juni 2020 – Quelle: Israel MFA

Damit hat der israelische Aussenminister Ashkenazi bereits vor Beginn der Gespräche öffentlich klargestellt, dass sich Israel weder Belehrungen aus deutschem Munde noch Einmischungen aus Brüssel gefallen lassen werde. Und Maas’ Besuch war nur der Anlass, mit der Ashkenazi der Weltöffentlichkeit kundtat, dass er sich der Tradition eines Moshe Dayan verpflichtet fühlt: Dayan sagte einmal, als Aussenminister, in Israel sei man dankbar für jegliche Unterstützung aus dem Ausland, sei diese finanziell oder in der Form von Ratschlägen. Man nehme das Geld an, man höre sich den Rat an, und handle danach so, wie es den Interessen Israels am Besten entspricht.

Und Maas? Lässt sich ein deutscher Aussenminister so vorführen, der mit dem Gewicht im Rücken zu dieser Reise aufgebrochen war, zum 1. Juli die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union für ein halbes Jahr, sowie den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat für einen Monat zu übernehmen? Die kurze Antwort darauf lautet – ja. Nach seinen Gesprächen – nach dem Treffen mit Ashkenazi kam er noch mit Netanjahu sowie dem “alternierenden” Premierminister Gantz zusammen – gab er bekannt:

Ich halte überhaupt nichts davon, in Zeiten, in denen Entscheidungen noch überhaupt nicht getroffen sind, mit Drohungen Politik zu machen. [Beim Gespräch mit Ashkenazi habe er, so Maas] überhaupt keine Preisschilder aufgestellt.

Bundesaussenminister Heiko Maas, am 8. Juni 2020 in Jerusalem

Es erscheint daher beinahe ausgeschlossen, dass in der EU irgendwelche konkreten Sanktionsmassnahmen durchsetzbar seien, als Reaktion auf eventuell im zweiten Halbjahr fallenden israelischen Schritte. Denn die EU darf sich in aussenpolitischen Fragen nur so äussern, wie es sämtliche Mitgliedstaaten mittragen können. Maas äusserte anscheinend, ihm schwebe, in der EU und im Sicherheitsrat die Rolle eines “ehrlichen Maklers” vor. Doch den ehrlichen Makler gibt es nur, wenn ihn beide Seiten als solchen akzeptieren. Und nachdem ihm in Israel öffentlich seine Grenzen aufgezeigt wurden, kann man sich fragen, weshalb er im Anschluss überhaupt nach Amman gereist weitergereist ist. Darauf gibt auch die nach der in Amman mit dem jordanischen Aussenminister Ayman Safadi und dem Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehöde Mohamed Shtayyeh herausgegebene gemeinsame Erklärung, keine Antwort.

Über Thomas Morvay 311 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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