Jordanien ist gefordert

Foto: Abdullah II. bin al-Hussein, Koenig von Jordanien (bei einem Besuch in Berlin, im Bundeskanzleramt); Credit: imago images / Reiner Zensen, single use licence

Letzte Aktualisierung am 14. August 2020 durch Thomas Morvay

Die durch die Verenigten Staaten zwischen Israel und den Emiraten erzielte Verständigung auf eine Normalisierung ihrer Beziehungen, wirft ein Schlaglicht auf die historische Rivalität zwischen den Königshäusern Jordaniens und Saudi Arabiens. Kein anderes Land in der Region hat ein so vitales Interesse am Entstehen eines Palästinenserstaates, wie jenes der Haschemiten, dessen Bevölkerung mehrheitlich palästinensisch ist.

(Jerusalem/Israel) – Es war der Scherif von Mekka, der mitten im Ersten Weltkrieg Grossbritannien die Zusage abgerungen hatte, im Gegenzug zu einer Arabischen Revolte gegen das Ottomanische Reich im Hejab, Unterstützung bei der Errichtung eines arabischen Staates in allen Provinzen des Ottomanischen Reiches zu erhalten. Und es war der legendäre britische Spion Lawrence von Arabien, der mit den Söhnen des Sherifs einen durchaus erfolgreichen Scharmützel-Feldzug gegen die Ottomanen führte und es General Allenby ermöglichte, Ende 1917 in Jerusalem einzumaschieren.

Das zeitliche Zusammentreffen der Schlacht um Jerusalem mit der Balfour-Deklaration – der Zusage der Unterstützung zu einer “nationalen Heimstätte der Juden in Palästina” an die Zionisten um Chaim Weizmann – schwächte das Ansehen der Briten in der Region entscheidend. Die Perfidie der Doppelzüngigkeit kostete den Briten viel Ansehen in der Region: zwar blieben sie bis 1948 Mandatsträger in Palästina, und sie hatten mit den Söhnen von Scherif Hussein Statthalter in Transjordan (Abdallah I) und Syrien resp. Irak (Feisal I.). Doch reichte ihre Macht nicht mehr aus, um den Traum von Scherif Hussein, ein Kalifat in Mekka zu errichten, in die Tat umzusetzen. Das Haus ibn-Saud eroberte 1925 den Hejab und gründete das Königreich Saudi-Arabien. König Abdallah I regierte noch bis 1951 das Königreich Jordanien, das sich – nach der israelischen Staatsgründung – den Altstadt von Jerusalem und Gebiete westlich des Jordan einverleibt hatte. Nachdem Abdallah durch einen arabischen Fanatiker – auf den Stufen der al-Aksa-Moschee – umgebracht worden war, bestieg dessen Enkel Hussein (nach einem wenige Monate dauernden Intermezzo von Abdallahs Sohn Talal) den Thron in Amman.

Der in englischen Internaten und auf der Militärakademie von Sandhurst ausgebildete Hussein regierte bis fast zum Ende des 20. Jahrhunsderts Jordanien. Seine Macht wurde nur einmal wirklich gefährdet, als die durch Syrien aufgestachelte palästinensische Bevölkerungsmehrheit aufbegehrte. Die Niederschlagung dieses Aufstandes ging als “Schwarzer September” in die Geschichte ein, führte zur Vertreibung der PLO in den Libanon, wo diese einen Bürgerkrieg entfachten, der das einst prosperierende Land in den Ruin und Chaos trieb, aus dem es bis heute nicht herausgefunden hat. Es ist ein offenes Geheimnis, dass ein israelisches Eingreifen Hussein das Leben und die Herrschaft rettete, denn es hielt einen syrischen Einmarsch erfolgreich ab. In der Folge lavierte König Hussein geschickt zwischen den Fronten, nahm weder am Yom-Kippur-Krieg von 1973 teil, noch bezog er offiziell Position im Libanon. Nachdem die PLO 1988 den Staat Palästina in den seit 1967 von Israel gehaltenen Gebieten westlich des Jordans ausrief – eine Illusion, denn zum damaligen Zeitpunkt residierte die PLO in Tunis – verzichtete der jordanische König auf seinen Anspruch, offizieller Fürsprecher der Araber in “den Gebieten” zu sein.

Die Haschemiten, die ihren Stammbaum angeblich bis zu Mohammed direkt zurück verfolgen können, geben sich seither vornehmlich als Hüter der heiligen Stätte in Jerusalem aus. Doch was als Aufgabe der Rolle als Fürsprecher begann, wuchs in den Jahren seither immer deutlicher auf eine Distanzierung von den palästinensischen Arabern aus. Das tat schon König Hussein, und das tut heute auch sein Sohn Abdallah II. Nichts täte er lieber, als seine Bevölkerungsstruktur zu “bereinigen”, indem er die an die 70% aus “Palästinensern” bestehende Bevölkerung – welche in Jordanien als einzigem Land der Region die vollen Bürgerrechte geniessen – in ein effektiv entstandenes Land “Palästina” abzuschieben. Dann wäre Jordanien viel leichter zu regieren, die Herrscher und ihre Günstlinge müssten nicht mehr um ihr Leben fürchten, und die Haschemiten könnten sich voll auf ihre Rolle als Bollwerk gegen Gefahren aus dem Osten, und damit sowas wie Hüter eines “abendländischen Orient” aufspielen. Das würde die Proportionen gegenüber den Saudis, nach knapp 100 Jahren, wieder gerade rücken. Anstatt dessen müssen die Haschemiten sich noch immer gegen die These wehren, Jordanien wäre das eigentliche Palästina, wie es schon in der Korrespondenz zwischen dem britischen Hochkommissar in Ägypten, Sir Henry McMahon und dem Scherif von Mekka, Hussein ibn Ali versprochen war.

Über Thomas Morvay 311 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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