Schon wieder – der “Siedlungsbau”

Die pawlowschen Reflexe der EU und gewisser Länder

Der Jerusalemer Bezirk Har Choma in einem Bild aus dem Jahr 2007 (photo credit: Avishai ka - via Wikimedia Commons; Lizenz CC Attribution 3.0 Unported - https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.en)

Letzte Aktualisierung am 16. Oktober 2020 durch Thomas Morvay

(Brüssel/Berlin) – In Israel wird die Planung weiterer Wohneinheiten beschlossen. Die Reaktionen in Europa sind stets gleich und mich erinnern sie seit langem an die bekannten Mustern, welche der russische Physiologe Iwan Petrowitsch Pawlow zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts erstmals beschrieb und die in der sog. “behaviouristischen Lerntheorie” ihren Niederschlag fanden. Ausser, dass bei den hier gemeinten Akteuren keinerlei Lernprozesse zu erkennen sind.

Man kann fast die Uhr danach richten: egal in welcher Phase sich die Pläne befinden, selbst wenn es auf Jahre hinaus keine konkrete Butätigkeit absehbar ist – die EU ist stets zur Stelle und verurteilt jegliche Planung neuer Wohneinheiten in den sog. “besetzten Gebieten” und seit geraumer Zeit auch in Ostjerusalem. Letztere ist in der Sprachregelung Brüssels neuerdings ebenfalls zu einer “Siedlung” mutiert. Ebenso neu ist auch die Entwicklung, dass es gewissen europäischen Regierungen nicht reicht, wenn sich Brüssel für die EU-Länder äussert, sie müssen unbedingt ihren eigenen Senf dazu geben – und dabei, mit schöner Regelmässigkeit, über das aus der europäischen Hauptstadt Gesagte hinausgehen. Auffallend ist, es sind allesamt Länder, die der ehemalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bereits 2003 als “old Europe” tituliert hatte.

Auch dieses Mal reichte es den “alten Europäern” Deutschlands (die gegenwärtige EU-Ratspräsidentschaft), Frankreichs, des Vereinigten Königreichs, Italiens und Spaniens nicht, die Erklärung des insbesondere auch durch sie selbst gewählten Hohen Repräsentanten für die EU-Aussenpolitik Josep Borrell, im Raum stehen und für sich sprechen zu lassen. Sie mussten mit einereigenen Verlautbarung an die Öffentlichkeit gehen und ihre, in einigen Punkten noch weiter gehende Ablehnung kundtun. Mit stets derselben Argumentation, mit fast schon axiomatischen Formulierungen, ohne Wenn und Aber.

Borrell spricht von geplanten “fast 5,000 Wohneinheiten”, für die 5 Länder sind es “über 4,900”. Während die Sprachregelung Brüssels eine Grenze nach oben insinuiert, ist die Formulierung der Fünf maximalistisch – subtil, aber mit Methode, wird hier die Uneinigkeit zur Schau gestellt. Die Fünf erklären sich auch “zutiefst besorgt”, während in der Brüsseler Erklärung eine solche Formulierung fehlt. Den “alten Europäern” ist auch wichtig, explizit auf die Resolution 2334 aus dem Jahr 2016 des UN-Sicherheitsrates zu verweisen, jenem Beschluss, den die scheidende Obama-Administration, in einer beispiellosen Abkehr von der bisherigen Praxis der voran gegangenen 30 Jahre, nicht durch ein Veto verhindert hat. Senor Borrell, ehemaliger spanischer Aussenminister, und gewiss kein grosser Freund Israels, nennt keine UN-Resolution explizit. Und schliesslich postulieren die Fünf, die Sistierung von Plänen zur Anwendung israelischen Rechts (sog. “Annexionspläne”) müsse “dauerhaft” sein, während die EU keine solche Forderung erhebt.

Fast gleichlautende Formulierungen finden sich – und dies ist, aus israelischer Sicht, schon schlimm genug, weil es die andauernde Erfolglosigkeit israelischer Diplomatie zur Schau stellt – in der Charakterisierung jeglichen “Siedlungsbaus” als “völkerrechtswidrig”, das die “Realisierbarkeit einer Zwei-Staaten-Lösung” gefährde. Dabei spricht die EU explizit auch “Ostjerusalem” an, und innerhalb dieses Gebiets die “sensiblen Bezirke” Har Choma und Giv’At HaMatos, auch wenn für Brüssel nach wie vor die Massgabe des Teilungsplans gilt, wonach Jerusalem “corpus separatum” sein soll, aber trotzdem der Osten der Stadt die künftige Hauptstadt Palästinas darstellt. Bemängelt wird sodann das angeblich “intensivierte” Zerstörungstätigkeit gegen “palästinensische Strukturen”, welche sogar teilweise durch die EU finanziert sind, ohne dass darauf Bezug genommen wird, dass solche Abbrüche regelmässig durch Israels Obersten Gericht beurteilt und letztlich bewilligt werden. Das Gericht hat bisher in fast allen solchen Fällen entschieden, dass die Strukturen entgegen geltendem Recht errichtet wurden und dass ihr Abriss daher rechtens ist.

Damit es niemand falsch verstehen kann: selbstverständlich wird am Ende des Prozesses eine Einigung zwischen Israel und den palästinensischen Arabern stehen müssen. Das weiss, nicht erst seit “Oslo”, auch jede israelische Regierung. Dazu braucht es aber gesprächswillige Partner. Und da darf kein Raum sein für den “Kindergarten”, wo die Palästinensische Autonomiebehörde, durch Korruption und Misswirtschaft faktisch im Konkurs stehend, die Annahme von ihnen zustehenden Steuereinnahmen ablehnt, nur weil sie – wie in Paris 1995 vereinbart – durch Israel gesammelt wird. Schon gar nicht, wenn zugleich die PA weiter von der EU erwartet, sie bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag durchzufüttern. Um mit den Geldern weiterhin Terroristen und ihre Familien zu belohnen! Zu diesen Gebahren herrscht in Brüssel, in Berlin, und in anderen europäischen Hauptstädten, seit Jahr und Tag Funkstille. Das einzige, wofür der Buchstabe “U” zu stehen scheint ist, auf den jüdischen Staat unaufhörlich einzuschlagen. Das muss aufhören!

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Über Thomas Morvay 326 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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