Ist UNRWA noch zu retten?

Hillel Neuer, Direktor von UN Watch, während des Hearings "UNRWA Examined" im U.S. Repräsentantenhaus am 30. Januar 2024. (Lizenz: imago/SOPA; Copyright: Michael Brochstein)

Letzte Aktualisierung am 31. Januar 2024 durch Thomas Morvay

Allen, die im Thema sind, war das von vorneherein klar, dennoch ist das Tempo erschreckend! Am Wochenede verkündete Philippe Lazzarini noch, gegen 12 Mitarbeiter eine Untersuchung zu eröffnen. Bereits heute muss diese Zahl, nach einem Bericht der Washington Post, mit 100 multipliziert werden. Längst ist es nicht nur Lazzarinis Stuhl, der wackelt – es geht nur noch darum, ob die Fehlkonstruktion unter den Hilfswerken überleben kann – oder besser, soll!

Das UN-Flüchtlingshilfswerk für die Palästinenser (UNRWA) war von allem Anfang an ein Unding, erschaffen einzig und allein mit dem Zweck, eine sehr spezifische Gruppierung von Menschen zu “unterstützen”. Um als palästinensischer Flüchtling zu gelten genügte es, zwischen 1946 und 1948 im Mandatsgebiet gelebt zu haben und bei der Staatsgründung Israels von dort vertrieben worden oder geflüchtet zu sein. Ebenfalls einzigartig wurde diese Eigenschaft auf der männlichen Linie vererbt, sodass anstelle der heute vielleicht noch lebenden wenigen Tausend, an die 6 Millionen Menschen aktuell als geflüchtete Palästinenser gelten. Und niemand fragt sich, wie es sein kann, dass sie im achten Jahrzehnt nach der Begründung ihres Status immer noch ausgegrenzt und staatenlos sind, in sog. “Lagern” gehalten werden, die sich längst zu Städten entwickelt haben und, weil sie in den Gastgeberländern nicht arbeiten dürfen, weiterhin auf Almosen der Weltgemeinschachaft angewiesen sein sollen.

Noch weniger wird hinterfragt, weshalb die wichtigsten Geldgeber für dieses Hilfswerk nicht etwa die arabischen Brüderländer sind, sondern die Vereinigten Staaten und Staaten der Europäische Union, allen voran Deutschland. Als einziges arabisches Land ist Saudi Arabien – im Rang 8 – in den “Top Ten” vertreten – mit weniger als 10% der Beiträge der USA, und knapp 12% von jenen Deutschlands. Kuwait und Katar schaffen es ganz knapp unter die ersten 20. Die Schweiz ist nur knapp hinter den Saudis, auf Position 9 des Geberländer-Rankings per Ende 2022.

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Seit einigen Jahren ist es den Bewohnern aus Gaza wieder möglich, legal in Israel arbeiten zu gehen. So verdienen sie Geld mit ihrer eigenen Hände Arbeit. Doch damit dürfte es jetzt vorbei sein. Im jüngsten Konflikt, dem von Hamas und Islamistischen Dschihad angezettelten Massaker an über tausend Israelis vom 7. Oktober 2023, haben sich gemäss Geheimdienstangaben Zivilisten aus dem Gazastreifen angeschlossen. Zudem zeigten die Auswertungen der Angriffe, dass die Terroristen aussergewöhnlich gut über die Verhältnisse in den überfallenen israelischen Siedlungen informiert gewesen sein sollen. Ein klares Indiz darüber, dass die vermeintlich harmlosen Arbeitskräfte in Tat und Wahrheit Spione gewesen sind, welche systematisch Informationen gesammelt haben.

Hillel Neuer von UN Watch, Marcus Sheff von impactSE – über deren Untersuchungen zu UNRWA wir regelmässig berichtet haben – und andere nahmen am Dienstag an einem Hearing im U.S.-Repräsentantenhaus teil, das sich mit dem Thema “UNRWA Exposed: Examining the Agency’s Mission and Failures” befasste. Der Abgeordnete Brian Mast, Vorsitzender des Unterausschusses, der das Hearing durchführte, hatte am Vortag einen Antrag im Kongress eingebracht, dem Flüchtlingshilfswerk die Unterstützung durch die Vereinigten Staaten zu entziehen. Zuletzt war ein ähnlicher Antrag im Kongress im vergangenen September mit äusserst knapper Mehrheit, entlang der Parteilinien, abgelehnt worden. Es ist davon auszugehen, dass diese Mehrheit durchaus kippen könnte, falls Masts Antrag in nächster Zeit zur Abstimmung gelangen würde. Doch, unter normalen Umständen, ist eine baldige Abstimmung zu diesem Thema nicht zu erwarten.

Die, in der Überschrift zum gestrigen Hearing enthaltene, weiterführende Frage nach der Sinnhaftigkeit der Tätigkeiten von UNRWA – im Gazastreifen und darüber hinaus – sowie die ebenfalls klar geäusserten Zweifel, ob andere Institutionen der Vereinten Nationen diese übernehmen könnten, verdienen unsere Beachtung. Für uns steht fest: solange z.B. der Lehrstoff an den von UNRWA geführten Schulen zwingend von der Palästinensischen Autonomiebehörde übernommen werden muss, reicht es nicht aus, nur auf das Hilfswerk stärkeren Einfluss zu nehmen, resp. diese durch die Kürzung von Finanzierungsmitteln zu Reformen zu zwingen. Es ist konkret daran zu erinnern, dass der Vorgänger von Philippe Lazzarini an der Spitze von UNRWA, der ebenfalls schweizerische Diplomat Pierre Krähenbühl, nach einer UN-internen Untersuchung zum Rücktritt gezwungen wurde, ohne dass dies die damals schon notwendigen Reformen befürdert hätte.

Wenn es um die Frage geht, wer an die Stelle von UNRWA treten könnte, muss auch daran erinnert werden, dass dem 1949 ausschliesslich für die sog. Palästinaflüchtlinge geschaffene Hilfswerk, ein Jahr später das United Nations High Commission for Refugees (UNHCR) zur Seite gestellt wurde, das alle übrigen Flüchtlinge der Welt betreut. Ohne dem starken Fokus auf Politikversagen, das UNRWA seit über zwei Jahrzehnten anhaftet. Und ohne der singulären und fragwürdigen Definition des vererbten Flüchtlingsstatus, weil beispielsweise das raison d’être des UNHCR die Integration von Geflüchteten in ihren Gastgeberländern ist, und nicht ein verbrieftes Rückkehrrecht bis in alle Ewigkeit! Wie das Seilziehen auch ausgeht, alternativlos ist das UNRWA nicht!

Über Thomas Morvay 311 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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