Gil Ofarim – gehört das in die Öffentlichkeit?

Gil und Tal Ofarim mit Mutter Sandra Ofarim Reichstadt (Copyright: Eventpress Hannes Magerstaedt; Lizenz: imago / Eventpress)

Letzte Aktualisierung am 28. November 2023 durch Thomas Morvay

Der Verleumdungsprozess um den deutsch-israelischen Sänger Gil Ofarim endete so, wie die ganze unsägliche Affäre vor 2 Jahren begonnen hatte: mit einem Knall. Was als Antisemitismus-Skandal, von Ofarim selbst angestossen begann, fand heute mit dessen Geständnis vor Gericht ein Ende, er hätte gelogen. Der Zentralrat der Juden in Deutschland tat sofort, wovon er meinte, die deutsche Öffentlichkeit erwartete es von ihm: er beklagte sich und beschuldigte Ofarim zugleich, der Sache einen massiven Schaden zugefügt zu haben.

Vor ziemlich genau zwei Jahren drehte der Musiker Gil Ofarim vor dem Leipziger Hotel Westin ein kurzes Video. Darin beklagte er, in jenem Hotel antisemitisch beleidigt worden zu sein: ein Mitarbeiter hätte ihn aufgefordert, seinen um den Hals getragenen Davidstern zu verstecken, bevor er zum Check-In vorgelassen würde. Zwei Jahre lang hielt er an dieser Behauptung fest, auch als der – in einem vielleicht typisch deutschen Reflex umgehend suspendierte – fragliche Mitarbeiter ihn seinerseits wegen Verleumdung verklagte. Und selbst nachdem die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen Ofarim wegen falscher eidesstattlicher Versicherung eröffnet hatte.

Was genau dazu führte, dass Ofarim sich heute vor Gericht als Lügner geoutet hatte und den Hotelmitarbeiter öffentlich um Entschuldigung bat, bleibt unklar. Ebenso, weshalb sich beide Seiten offenbar verständigt haben, dass Ofarims Strafe lediglich in einer Zahlung von je EUR 5‘000 an zwei jüdische Organisationen bestand. Es irritiert und hinterlässt nicht nur einen schalen Beigeschmark: was an jenem Abend wirklich geschehen war, dürfte nun nicht mehr gerichtsfest bekannt werden. Sehr schnell lag auch die Erklärung seitens des Zentralrats der Juden in Deutschland vor, durch sein Handeln und seine falsche Anschuldigung hätte Gil Ofarim all jenen einen Bärendienst erwiesen, die tatsächlich antisemitischen Angriffen ausgesetzt worden waren.

Vieles ergibt in dieser unsäglichen Angelegenheit keinen Sinn. Nachdem nun das Strafverfahren eingestellt worden ist, wird das vermutlich auch so bleiben. Ob nach diesem Abschluss der strafrechtlichen Aspekte der Affäre bleibt offen, ob überhaupt eine zivilrechtliche, auf Schadensersatz gerichtete weitere Aufarbeitung möglich sein wird. Sicherlich kann die Motivation des Hotelmitarbeiters plausibel damit erklärt werden, nach zwei Jahren einen Schlussstrich ziehen zu wollen und sein Leben wieder aufzunehmen. Mehr als eine Vermutung ist dies aber nicht. Ebenso kann gemutmasst werden, Ofarim mit einer verhältnismässig geringen Zahlung „davonkommen“ zu lassen, ergäbe irgendwie einen Sinn, wenn es entsprechend Hinweise auf seine anderweitig erheblichen Nachteile seines Verhaltens, jetzt oder in der Zukunft sich offenbart hätten.

Aus jüdischer Sicht hat die Angelegenheit eine weitere Dimension. Gil Ofarim ist einer der Söhne seines berühmten Vaters, aus dessen dritten Ehe mit Sandra, geborene Reichstadt – mit einer Nicht-Jüdin. Er ist damit ein sog. „Vater-Jude“. Da die Zugehörigkeit zum Judentum sich matrilinear ergibt – also aus dem Umstand, ob die Mutter Jüdin ist, sprechen ihm manche bereits heute ab, Jude zu sein. Um es klar zu sagen, das halte ich für einen unnötigen, für das Judentum schädlichen Disput. Wie jemand seine „Jüdischkeit“ lebt ist etwas, was diese Person alleine mit seinem Gott klären muss, und was uns nichts angeht. Dem Sprössling Vorhaltungen zu machen, weil dessen Vater mit einer Nicht-Jüdin ein Kind gezeugt hat, ist für mich schlicht unsinnig.

Über Thomas Morvay 311 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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