Nach dem Besuch Cassis in Israel

Auch wenn dies ein diplomatischer Überflug war, noch vor wenigen Wochen hätte es diese Route nicht gegeben: der Bundesrats-Jet flog auf dem direkten Weg vom Ben-Gurion Flughafen über Saudi-Arabien an den Persischen Golf. (Quelle: Open Street Map, ADS-B Exchange)

Letzte Aktualisierung am 15. Januar 2021 durch Thomas Morvay

(Jerusalem/Israel) – Bundesrat Ignazio Cassis, der Schweizer Aussenminister hat seinen knapp 2-tägigen Besuch in Israel beendet, und ist nun auf der weiteren Station seiner Reise in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das EDA veröffentlichte auch schon ein Resümee seiner Besprechungen in Jerusalem und Ramallah.

Im Einklang mit der MENA-Strategie 2021-2024 des Bundesrates traf Ignazio Cassis Vertreter Vertreter israelischer Start-Ups bereits am Samstagabend. Es dürfte kein Zufall gewesen sein, wenn für den Bundesrat diese Begegnung noch vor den politischen Gesprächen am Sonntag stattfand, bekräftigt sie doch die überragende Bedeutung, die die Schweiz einzelnen Ländern der Region bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zumisst. Es ist zugleich befremdend, wenn davon in der Medienmitteilung des EDA nichts zu lesen ist.

Am Sonntagmorgen traf der Magistrat dann seinen israelischen Amtskollegen Gabi Ashkenazi. Bei dieser Gelegenheit begrüsste Ignazio Cassis die kürzlich erfolgte Normalisierung “zwischen Israel und mehreren arabischen Staaten”. Er verband damit die Hoffnung, dass “damit Perspektiven eröffnet werden, die alle Seiten dazu veranlassen, regionale Spannungen abzubauen und auf einen gerechten und dauerhaften Frieden hinzuarbeiten”. In diesem Zusammenhang betont die Medienmitteilung, es hätten “beide Parteien die Bereitschaft der Schweiz, die Wiederaufnahme eines Dialogs durch ihre guten Dienste zu erleichtern”, begrüsst.

In Ramallah traf Bundesrat Cassis sowohl auf seinen Amtskollegen al-Malki wie auch auf Premierminmister der Palästinensischen Autonomiebehörde Shtajjeh. Dabei machte die Schweiz das Angebot, sich bei der Verbesserung der beruflichen Perspektiven insbesondere für die jungen palästinensischen Araber zu engagieren. Im Zusammenhang mit der Erneuerung der finanziellen Zusage an die UNRWA sprach sich der Magistrat für eine verstärkte berufliche Integration der palästinensischen Flüchtlinge in den Aufnahmeländern aus – eine insgesamt interessante Formulierung, die in Ramallah gemacht worden ist. Die lokale Wirtschaft befördern soll das neu ins Leben gerufene “Swiss-Palestinian Joint Business Council”, das besonders den Austausch zwischen Wirtschafts- und Forschungskreisen fördern werde, so der Schweizer Magistrat.

Die letzte seiner 3 Status-Meldungen aus Israel auf Twitter setzte das Team des Bundesrates kurz vor seinem Weiterflug aus Israel ab. Er hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck, denn bei allem Verständnis für die diplomatische Ausrede irritiert, dass Cassis’ und Netanjahus Teams in knapp 40 Stunden keinen geeigneten Zeitpunkt für eine direkte Begegnung gefunden haben. Es bleibt unklar, welche Botschaft dieser Umstand vermitteln soll, falls da wirklich eine Botschaft drin steckt. Es ist jedoch definitiv eine Irritation, welche unnötig ist.

In den Mittagsstunden des Montags verliess Bundesrat Cassis Israel, in Richtung Vereinigte Arabische Emirate. Die Flugroute zum Persischen Golf führte über Jordanien und Saudi Arabien, etwas, was noch vor wenigen Wochen für diplomatischen Überflüge eine Ausnahme gewesen wäre, seit der im Spätsommer eingeleiteten Normalisierungen jedoch zur neuen Wirklichkeit gehört. Die politische Schweiz tut gut daran, dies zur Kenntnis zu nehmen.

Über Thomas Morvay 311 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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