Zwei runde Geburtstage

Thematisch nahe und doch so verschieden

Photocredit: The Herzl Museum - Public Domain
Theodor Herzl's childhood with his family at home in Budapest.

Letzte Aktualisierung am 2. Mai 2020 durch Thomas Morvay

Diese Woche jährten sich zwei runde Jubiläen: am 1. Mai die 50. Wiederkehr der Gründung des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina und tags darauf der 160. Geburtstag von Theodor Herzl, dem Begründer des politischen Zionismus, der Bewegung, welche zur Entstehung des modernen Staates Israel führte. Wahrlich, zwei Ehrentage, die in ihrer Wirkung unterschiedlicher nicht sein könnten.

(Jerusalem / Israel) – Theodor (ung. Tivadar) Herzl erblickte das Licht dieser Welt am 2. Mai 1860 in Pest, der damals unabhängigen Stadt am Ostufer der Donau, welche wenige Jahre darauf zusammen mit Buda und Óbuda zur Hauptstadt des Königreichs Ungarn wurde. Als Student in Wien sah er sich antisemitischen Schriften konfrontiert – er war in einer deutsch-nationalen Burschenschaft aktiv – und begann, sich dieser Geissel der Menschheit zu widmen. Nach seiner Promovierung zum Juristen und Gerichtspraxis betätigte er sich als Schriftsteller und Bühnenautor, sowie später als Journalist und Korrespondent der Neuen Freien Presse in Paris. In dieser Eigenschaft wurde er zu Beginn der 1890er Jahre Zeuge der Dreyfus-Affäre, welche sein Denken fortan prägte. Die Überzeugung nämlich, dass Juden nicht bloss eine Religionsgemeinschaft bildeten, sondern dass es eine jüdische Nation gibt, deren Assimilation in Europa gescheitert ist und die deswegen in einer nationalen Heimstätte wiederauferstehen müsse. Nachdem anfänglich auch andere Gegenden diskutiert worden waren, fokussierten seine Bemühungen auf den Landstrich, den die Römer Palästina genannt hatten, und welches damals eine Provinz des Ottomanischen Reiches war. Herzl verstarb früh, nämlich bereits 1904, doch sein literarisches Werk “Der Judenstaat” sowie die ersten Zionisten-Kongresse entfalteten nachhaltige Wirkung. “Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen”, wurde zu seinem Vermächtnis, das schliesslich knapp 50 Jahre später in Israel Wirklichkeit geworden war.

Wenn Ihr wollt, ist es kein Märchen!

Theodor Herzl kurz nach dem ersten Zionistischen Weltkongress 1897 in Basel

Es ist diese Wirklichkeit, respektive deren zum Teil bis heute andauernde Verweigerung durch Teile der arabischen Bevölkerung im Nahen und Mittleren Osten, die uns zum zweiten Ereignis führt, dessen 70. Jahrestag am 1. Mai begangen wird. Die Geschichte des Kampfes für den “Yischuv”, die Entstehung eines arabischen Nationalismus und das kollektive Versagen der zivilisierten Welt in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts können hier nicht im Einzelnen dargelegt werden. Aber sie alle führten zusammen dazu, dass nach 1945 Hilfswerke für Flüchtlinge, unter der Ägide der Vereinten Nationen entstanden: zum einen das UNHCR, welches sich “The UN Refugee Agency”, das sich seit seiner Gründung weltweit um fast alle Flüchtlinge bemüht, die ihre Heimatländer verlassen hatten und in ihren neuen Heimat weitestgehend integriert sind. Zum anderen das bereits zuvor gegründete UNRWA, ausschliesslich für palästinensisch-arabische Flüchtlinge, welche auf Geheiss der Arabischen Liga bis heute nicht integriert werden dürfen – mit Ausnahme Jordaniens, dem aus dem britischen Mandat abgespalteten Teil, welches bereits 1923 autonom geworden war. Die Flüchtlingsdefinition für palästinensische Araber unterscheidet sich von allem Anfang an von der Definition des UNHCR, in einem wesentlichen Punkt: der Flüchtlingsstatus wird auf die nachfolgenden Generationen übertragen. Etwas salopp formuliert: einmal Flüchtling, immer Flüchtling ist das Motto, der Auftrag und das Selbstverständnis der UNRWA. Auch nach 70 Jahren, koste es was es wolle, und das ist nicht nur monetär zu verstehen. Eigentlich traurig und so gar kein Anlass zum Feiern!

Über Thomas Morvay 310 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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