Jerusalem/Washington/Brüssel – In der vergangenen Woche haben die Vereinigten Staaten ihre Anmerkungen zu dem, von der federführenden Europäischen Union als “finale Version” angekündigten Vertrag mit dem Mullah-Regime übermittelt. Spätestens damit sind wir einmal mehr in der einzigen Phase, wo Israel seinen Einfluss geltend machen kann – vorausgesetzt Israels Meinung interessiert wirklich jemanden in Washington, geschweige denn in (west-)europäischen Hauptstädten.
Premierminister Lapid hat, wie schon sein Amtsvorgänger Naftali Bennet, beteuert, es werde von ihrer Regierung aus “keine Überraschungen” geben. Damit spielten die beiden darauf an, was unter ihrer Beiden Vorgänger Benjamin Netanjahu – zumindest aus der Sicht der damaligen Obama/Biden-Administration – an israelischem “Störfeuer” zum ursprünglichen Abkommen, dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPoA), gekommen ist. Dazu ist bereits einiges geschrieben worden. Und so bleibt nur anzumerken, dass sich dazu weder Lapid noch Bennett, die beide Minister unter Netanjahus verschiedenen Regierungen gewesen waren und damit die israelischen Positionen mitzuverantworten hatten, jemals positiv zum JCPoA, oder aber negativ zu Netanjahus Vorgehensweise geäussert hätten – es sei denn, die beiden waren damals schon zu vornehm, um Differenzen an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen (man möge uns diesen Sarkasmus an der Stelle nachsehen).
Premierminister Lapid hat sich in den letzten Tagen vergeblich darum bemüht, mit Biden telefonieren zu können. Allein das ist bereits ein deutliches Indiz dafür, wie wenig Wert auf Inputs aus Jerusalem gelegt wird. Und die US-Seite hat bereits Kommentare gestreut, ein Treffen Lapid-Biden am Rande der UN-Vollversammlung in September könnte daran scheitern, dass am Tag nach Lapids Rede dessen Sohn in New York heiratet und der PM deswegen sicherlich keinen freien Termin finden wird. Dass Biden meint, damit vor seiner einheimischen Klientel durchzukommen, spricht Bände!
Verteidigungsminister Benny Gantz hazt den Sicherheitsberateer des US-Präsidenten getroffen, und aus seinem Umfeld sickern militärisch markige Worte durch. Doch auch Gantz ist an die Vorgabe Lapids gebunden, nicht in coram publico seine Kritikpunkte abzubringen, aber bei der in Israel eben begonnenen “heissen” Phase des Wahlkampfs ist offen, wie sich Benny Gantz positionieren wird – der sich im Übrigen gerade in der letzten Woche demonstrativ im Kreis mit 4 anderen ehemaligen Generälen in den Sozialen Medien gezeigt hat (im Bild mit v.l.n.r. Ehud Barak, Gabi Ashkenazi, Benny Gantz, Moshe Yaalon, Gabi Eizenkot)
Bleibt noch David Barnea, der Chef des Mossad. Seine Kritik am Iran Deal vom vergangenen Donnerstag liess, in Abweichung von den Regierenden, kaum Raum für Interprätationen! In den hebräisch-sprachigen Medien wurde er am vergangenen Donnerstag mit Aussagen zitiert, die von “ein strategisches Desaster”, “auf Lügen basiert” und “sehr schlecht für Israel” reichen. Und Barnea reist übernächste Woche nach Washington, wo er mit den Geheimdienstausschüssen der beiden Kongresshäuser sprechen wird. Zwar finden beide Auftritte verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit statt, dennoch ist zu erwarten, dass die Ausführungen des Mossad-Chefs sehr schnell ihren Weg in die Medien finden werden. Die Quelle dazu muss nicht einmal Israel sein, auch in Washington ist die Zahl der gegenüber dem Iran kritisch Eingestellten riesig.
Und damit haben wir genau die selbe Situation, wie sie vor 7 Jahren Netanjahu herbeigeführt hat, und die einer beträchtlichen Anzahl Mitglieder der gegenwärtigen Administration – zuvorderst natürlich Präsident Joe Biden, der damalige Vizepräsident, aber auch sein Aussenminister Anthony Blinken, oder der Verhandlungsführer der US-Delegation Robert Malley – noch buchstäblich sehr wohl in Erinnerung ist. Es war schon damals eine Gratwanderung, und es ist auch aktuell eines, wenn auch mit einem Unterschied. Während Benjamin Netanjahu unbestritten der wohl profundeste Kenner des Washingtoner Politikbetriebes in Israel ist, und als ein begnadeter Redner, auch in Englisch, gilt, gibt es aktuell keine vergleichbare Figur. Nicht zuletzt deshalb hat sich Premierminister Yair Lapid bereits sehr direkt auf Twitter vernehmen lassen:
Auf deutsch sagt er etwa: Netanjahus Verhalten hat die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten nachhaltig gestört, und wir sind immer noch daran, die Scherben einzusammeln. Inwiefern das Wahlkampfgetöse ist, inwieweit auch öffentliches “posturing”, hinter dem sich Kritik hervorragend verstecken lässt, und das zu erwartende Kritik aus Washington a priori abfedern soll, ist jedem Beobachter selbst überlassen. Inhaltlich legte sich der Regierungschef nur soweit fest, als dass er seine Meinung kundtat, jede diplomatische Antwort müsse durch eine glaubwürdige militärische Drohung begleitet sein. In einer solchen könnte Israel eine wichtige Rolle spielen, falls zB. durchsickert, dass die USA Bunker-Buster an Israel liefern – ein Ansinnen aus Israel, das immer wieder in die Öffentlichkeit gelangt. Israel bemüht sich schon seit Jahren darum, und es wäre gewissermassen eine elegante US-Antwort, welche die bittere Pille für die einheimische Klientele “schmackhafter” machen könnte. Auch die USA wählen im November, und die Demokraten müssen in beiden Kammern um ihre Mehrheit fürchten: Im Abgeordnetenhaus beträgt sie noch weniger als 2 Dutzend Mandate, im Senat herrscht gar ein Patt, wo kritische Abstimmungen bloss durch das Votum der Vorsitzenden, der Vizepräsidentin Kamala Harris entschieden werden können.
Was dabei nach wie vor im Dunkeln resp. hinter Nebelpetarden bleibt, sind die tatsächlichen Inhalte des Papiers der EU. Es werden sehr viele Gerüchte gestreut, aber es gibt wohl kaum nennenswerte konkrete Einzelheiten. Streng genommen ist nicht einmal klar, ob und wie weit die USA dem EU-Papier zugestimmt haben, bekannt ist nur, dass Katar behilflich sein soll, den Iranern das Ergebnis zu erläutern. Was wiederum das Scheinwerferlicht auf die letzte interessierte Gruppierung wirft: die Golfstaaten!
Ob, und in welchem Zeitraum ein Deal zustande kommt, ist nach unserer Einschätzung völlig offen, und dürfte aus durchsichtig taktisch-politischen Gründen auch nicht so schnell klar werden. Klar scheint nur: egal wie das Abkommen aussieht, diesmal muss es ein Staatvertrag sein, das vom Kongress ratifiziert werden muss. Und das ist die eigentliche Knacknuss, und das ist das einzige “Druckmittel”, das Israel erfolgsversprechend anwenden kann, um den Deal in seinem Sinne noch zu beeinflussen.
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