Weitere Demonstrationen in Deutschland angekündigt

Vor einem Jahr demonstrierten etwa 100 Menschen vor der Kulisse des Kölner Doms. (Lizenz: imago / Nur Photo; Copyright: Ying Tang)

Letzte Aktualisierung am 15. April 2023 durch Thomas Morvay

Berlin – Die Polizei in Berlin verbot am Donnerstag zwei für dieses Wochenende geplante Kundgebungen Palästinenser-naher Organisationen. Dieser Teilerfolg kann natürlich noch einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass in weiteren Städten ähnlichen Veranstaltungen bisher kein Riegel geschoben wurde: namentlich sind in Köln und Hamburg Kundgebungen geplant, an deren Zulässigkeit offizielle Stellen aktuell noch festhalten!

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Die Berliner Polizei weist in ihrer Pressemitteilung ausdrücklich darauf hin, dass sie eine Güterabwägung getroffen hat, welche “[n]ach Bewertung aller Umstände und Erkenntnisse sowie der Abwägung sämtlicher Interessen – insbesondere dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit” Rechnung trage. Dazu gehörten namentlich “Erfahrungen der vergangenen Tage und auch der jüngeren Vergangenheit”. Konkret sei zu befürchten, dass es zu “volksverhetzenden, antisemitischen Ausrufen, und zu Gewaltverherrlichung” kommen könnte. Genau dies war u.a. nach bisherigen Erkenntnissen am vergangenen Wochenende geschehen, als die den Demonstrationszug begleitende Polizei nicht eingeschritten war (auch wir berichteten davon).

Auf der Webseite des sog. “Solidaritätsnetzwerks für palästinensische Gefangene” (Samidoun) wird diese Entscheidung als “schamloser Angriff des deutschen Staates”, in mehreren Sprachen, gebrandmarkt und zugleich auf Veranstaltungen in anderen deutschen Städten verwiesen. Nach einem Zeitungsbericht habe die Polizei in Köln aausgeführt, es gäbe “keine Erkenntnisse, die einen Verbot rechtfertigen” würden. Der “Anmelder” der Veranstaltung sei eine Privatperson, und bei “vorangegangenen Veranstaltungen des selben Anmelders in Köln hat es dem Vernehmen nach bislang nie Probleme gegeben”. Dagegen wird insbesondere durch die Deutsch-israelische Gesellschaft und dessen Präsidenten Volker Beck, in den Sozialen Medien heftig protestiert: auf Twitter verlinkt Beck zu den jüngsten Veröffentlichungen Samidouns:

An dieser Stelle sei daran erinnert, dass Samidoun im Jahr 2012 von Mitgliedern der “Volksfront zur Befreiung Palästinas” (PFLP) gegründet worden war. Die PFLP führen die USA, aber auch die Europäische Union als Terrororganisation. Das “Israel Legal Foundation” verwies jüngst im Rahmen einer Veranstaltung im Europa-Parlament auf die Verbindung Samidouns zur PFLP und fordert darauf gestützt ein Verbot des Netzwerks. Diese Forderung gewinnt langsam auch in Deutschland an Zuspruch. Unserer Einschätzung zufolge hat sie aktuell jedoch noch nicht das starke Echo, wie sie etwa mit Druck auf die Bundesregierung durch parlamentarische Vorstösse entwickelt werden könnte.

Update 15.04.2023: Am Samstag riefen die Organisatoren der geplanten Kundgebung, mittels eines Antrags auf einstweiligen Verfügung das Verwaltungsgericht an. Diese allerdings bestätigte den Verbot der Veranstaltung. Daraufhin gelangten die Veranstalter an die nächsthöhere Instanz, erlitten aber auch dabei Schiffbruch:

Wie heute Abend im Kölner Stadt-Anzeiger zu lesen ist, wurde auch die für Köln-Mülheim zunächst bewilligte Kundgebung an ihrem Endpunkt Wiener Platz von der Polizei vorzeitig aufgelöst. Dies, nachdem Verstösse “gegen mehrere Auflagen” festgestellt wurden. So sollen mehrere Teilnehmer, nach Angaben der Polizei, zu “Gewalt gegen das israelische Volk” aufgerufen haben. Gegen einen Teilnehmer habe die Polizei sogar ein Verfahren eingeleitet. Wir fragen uns, wodurch die zurückhaltende Sprache der Meldung gut sein soll: Judenhass, auch wenn dieser in der Form von Israel-bezogenen Antisemitismus daherkommt, kann man nur entgegenwirken, wenn die Tatsachen klar und deutlich genannt werden, und nicht, indem man um den heissen Brei herumredet!

Über Thomas Morvay 310 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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