Was tatsächlich gesagt wurde!

Sitzung des UNO-Sicherheitrates am 18.07.2019 Rechenschaftsbericht von Generalsekretär Antonio Gutteres, am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York (imago / Pacific Press Agency; Copyright Lev Radin)

Letzte Aktualisierung am 24. Februar 2023 durch Thomas Morvay

New York – Über das vergangene Wochenende fanden zum Teil wohl hektische Verhandflungen statt, um die Einbringung einer für Israel negativen Resolution zu verhindern, welche auch ein Verhalten der Vereinigten Staaten im UNO-Sicherheitsrat erzwungen hätte, das sie einzugehen nicht bereit war. Am Ende kam ein Kompromiss in der Form einer unverbindlichen “Erklärung des Präsidenten” heraus. Nun liegt diese Erklärung in der offiziellen Schriftform vor.

Dass sich der UNO-Sicherheitsrat seit geraumer Zeit monatlich mit der „Situation im Nahen Osten, einschliesslich der Palästinenserfrage“ befasst – was leider auch hier inzwischen eher als Übungsstunde in Israel-Verdammung daherkommt, und daher von der Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) als Feigenblatt für ihr Nichtstun dient – damit muss man sich wohl abfinden. Ganz konkret wurde dieses Treffen nun, durch die PA sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten, zum Anlass genommen, einmal mehr zu versuchen, eine Entschliessung durchzubringen, in welcher Israel einseitig zum Sündenblock gestempelt wird. Für die PA ist es eine „Win-Win“-Situation: entweder, die Vereinigten Staaten verhindern mit ihrem Veto die Resolution und bestärken das Opfer-Narrativ der Palästinenser, oder sie lassen – wie zuletzt 2016 – die Entschliessung passieren und geben ihnen damit Munition in die Hand. Es ist an dieser Stelle müssigzu spekulieren, weswegen sich die Vereinigten Staaten dieses Mal nicht auf dieses „Spielchen“ eingelassen haben. Es genügt festzustellen, dass sie durchsetzten, anstelle einer Entschliessung, ein milderes, sog. Präsidentielles Statement zuzulassen, was nota bene zuletzt vor 9 Jahren der Fall gewesen war.

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Der erste Absatz setzt die Tonalität, ähnlich wie dies bei Entschliessungen in der Präambel geschieht: die Betonung des Anrechts auf sichere und international anerkannte Grenzen, auch wenn er anscheinend so selbstverständlich und ausgewogen daher kommt, kann im Zusammenhang nur bedeuten, dass der Präsident des Sicherheitsrates gleich zu Beginn ein Zugeständnis an die palästinensisch-arabische Seite macht. Sie gesteht ihnen eine “Staatlichkeit” zu, die schlicht in der Realität niemals gegeben war und bis heute eines der zentralen trennenden Elemente darstellt. Er ist auch nicht richtig verständlich, denn die Gruppen, die in der Erklärung Völker genannt werden, brauchen nicht Grenzen, um “Freiheit, Sicherheit, Wohlstand, Gerechtigkeit und Würde” zu geniessen. Ausser, man verfolgt eine bestimmte Agenda.

Im dritten Absatz dann die erste direkte Verurteilung, welche bereits in der Wortwahl die Verlautbarungen der USA und der grossen europäischen Staaten, Deutschland, Frankreich, Italen und dem Vereinigten Königreich übernimmt: die tiefe Besorgnis und Bestürzung über den angekündigten Ausbau von Siedlungen und die in Anführungszeichen gesetzte – und deshalb wohl abgelehnte – Legalisierung von wilden Bebauungen durch die israelische Regierung zurückweist. Und damit es ja jeder versteht: es ist die Auffassung der UNO und der zitierten Staaten, dass die anhaltende Siedlungsaktivitäten die angekündigten Massnahmen die “Realisierbarkeit der Zwei-Staaten-Lösung innerhalb der Grenzen von 1967” gefährden.

Dem Sprecher fällt wohl schon lange nicht auf, wie er damit Verhandlungsergebnisse voraussetzt und sie nicht den Parteien überlässt. Die Formel, um nicht zu sagen das Mantra, ist üblicher Sprachgebrauch seit den sog. Clinton-Parametern. Der ehemalige US-Präsident hat sie in den letzten Tagen seiner hektischen Bemühungen um ein vorzeigbares Resultat seiner letzten Amtszeit formuliert. Sie wurden durch Arafat zurückgewiesen, was das Scheitern der Gespräche damals verursachte. Der Erzterrorist bat später darum, auf diese Ablehnung zurückkommen zu dürfen, und so wurden die Clinton-Parameter zu den Eckwerten der Bemühungen des Nahost-Quartetts. Es ist fraglich, ob mit dem Scheitern von Oslo und dem Erfolg der Abraham Accords die Formel überhaupt noch zeitgemäss ist.

Die nachfolgenden Abschnitte verdeutlichen die allgemein gemachte Aussage im dritten Absatz:

  • Aufforderung an “alle Parteien” – auch ein Mittel, eine Äquivalenz herzustellen, wo keine solche Gleichwertigkeit besteht – ihren “internationalen Verpflichtungen” nachzukommen,
  • von einseitigen Schritten abzusehen, welche dem Ziel der Befriedung widersprechen, konkret und nicht abschliessend, sich an Israel wendend:
    • Bau und Erweiterung von Siedlungen
    • Beschlagnahme von “palästinensischem Land”
    • Legalisierung von wilden Bebauungen
    • Zerstörung von Häusern von Palästinensern und deren Vertreibung

Auffallend allgemeiner gehalten, die im nächsten Absatz spezifizierten Anforderungen:

  • der Sicherheitsrat verurteilt jede Gewalt gegen Zivilisten, einschliesslich Terrorakte und
  • sie ruft dazu auf, die Schritte zur Terrorbekämpfung im Einklang mit internationalem Recht verstärkt in Angriff zu nehmen
  • alle terroristischen Akte zu verurteilen und von Aufwiegelung dazu abzusehen
  • sich der Verantwortung “aller Parteien” bei gegen Zivilisten ergriffenen gewalttätiger Handlungen bewusst zu sein
  • insbesondere auch – und dies ist die einzig konkrete Nennung der Palästinensischen Autonomiebehörde – die Distanzierung und die Bekämpfung von Terror

Die weiteren Abschnitte vertiefen sodann die genannten Aufforderungen, ohne zwingend dabei konkret zu werden. Bemerkenswert sind nur noch die beiden letzten Abschnitte, die wohl inhaltlich zusammen gehören. Darin tut der Sicherheitsrat seine Besorgnis kund, angesichts von Diskriminierung, Intoleranz und durch Rassismus ausgelösten Hassrede gegenüber von Religionsgemeinschaften. Konkret benannt werden, in dieser Reihenfolge, Islamophobie, Antisemitismus und “Christianophobie”. Dies wird zum Anlass genommen, um an die Bewahrung des status quo an den heiligen Stätten in Jerusalem und der besonderen Rolle des jordanischen Königshauses zu erinnern.

Wenn das das bestmögliche ist, um sich ausgewogen zum Konflikt zu äussern, dann gilt es festzustellen: die UNO ist nach wie vor fest in der Hand der Israel anlehnenden muslimisch dominierten Länder. Wie sonst ist zu erklären, dass nur im Zusammenhang mit Israel die Gewalt konkret benannt wird, aber weder die Verantwortung der Herrschenden in Ramallah und Gaza für die Aufwiegelung zu Terror und die Indoktrination von Kindern in Schulen und sogar im Vorschulunterricht konkretisiert sind? Natürlich gilt, dass im politischen Alltag überall nur das jeweils konkret Durchsetzbare zwischen einander konkurrenzierenden Interessen vereinbart werden kann, und selbstverständlich ist das, was Lord Caradon, im Zusammenhang mit der von ihm ausgehandelten Resolution 242, als “diplomatic ambiguity” genannt hatte, ein Instrument von Verhandlungen. Aber das muss ausgewogen bleieben, sonst ist es eine Parteilichkeit, die niemals zielführend sein kann. Ist das die Realität des UNO-Sicherheitsrates, so ist dieser reformbedürftig, oder noch schlimmer, ist der Grundgedanke der UNO überholt. Das hätte katastrophale Folgen!

Über Thomas Morvay 311 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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