Verrat an Israel?

Joe Biden - Public domain Photo via <a href="https://www.goodfreephotos.com/">Good Free Photos</a>
Joe Biden, the 47th vice president of the United States, was the featured guest for the Tom Johnson Lectureship at the LBJ Presidential Library on Tuesday, Oct. 3, 2017. The conversation was moderated by Mark Updegrove, former director of the LBJ Library. Biden represented Delaware for 36 years in the U.S. Senate before serving as vice president from 2009 to 2017 in the administration of President Barack Obama. As vice president, Biden addressed important issues facing the nation and represented America abroad, traveling over 1.2 million miles to more than 50 countries. He convened sessions of the President's Cabinet, led interagency efforts, and worked with Congress in his fight to raise the living standards of middle-class Americans, reduce gun violence, address violence against women, and end the devastation of cancer. The event was held in the LBJ Auditorium and was the fifth annual Tom Johnson lecture. The lecture series was created to honor Tom Johnson, who served for 30 years as chairman of the Lyndon Baines Johnson Foundation Board of Trustees. Johnson also served as executive assistant to President Johnson and, later, as president and then chairman of CNN. 10/03/2017 LBJ Library photo by Jay Godwin

Letzte Aktualisierung am 28. Juli 2020 durch Thomas Morvay

Vor wenigen Stunden veröffentliche der ehemalige Botschafter der Vereingten Staaten in Israel Dan Shapiro, die finale Version der vorgeschlagenen Haltung zu Israel im Positionspapier der Demokratischen Partei. Um es vorweg zu nehmen: aus jüdischer Sicht ist der Vorschlag eine Katastrophe.

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(Washington) – Wie erinnerlich, hat Dan Shapiro die Administration Barack Obamas in Israel in den Jahren 2011-2017 vertreten. Er war von Parteichef Tom Peretz berufen worden am Parteiprogramm mitzuarbeiten, das die Leitlinien der Politik des demokratischen Bewerbers um die Präsidentschaft im November verkündet – aller Wahrscheinlichkeit nach Joe Biden, der im Vorwahlkampf die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte, und den die Demokraten im August zum Kandidaten wählen wollen.

Für Israel, aber auch für die allermeisten Juden weltweit, ist es jeweils wichtig zu erfahren, wie sich die Bewerber um das Präsidentenamt zur einzigen Demokratie im Nahen Osten stellen. Auch wenn allgemein gesehen aussenpolitische Themen nie entscheidednd eine Ausmarchung um das höchste Regierungsamt zu beeinflussen vermochten, dürften die knapp 40 Zeilen zur Nahostpolitik im 80-seitigen Positionspaper überdurchschnittlich hohe Beachtung bekommen.

Selbstverständlich stellt ein Programm immer bloss die Konsensmeinung der verschiedenen Strömungen innerhalb einer Partei dar: Konsens ist, worauf sich die Mehrheit einigen kann. Auch ist es kein Geheimnis, dass auch die Partei der Demokraten sich in den letzten Jahren zunehmend polarisiert und in Richtungskämpfen zu verheddern droht. Dies äussert sich beispielsweise darin, dass im Abgeordnetenhaus – der grossen Parlamentskammer – mit den Sozialistinnen Rashida Tlaib, Ilhan Omar und Alexandria Ocasio Cortez, vorallem junge progressive Frauen es zu nationaler Prominenz geschafft haben. Aber auch darin, dass der alte, moskautreue Senator aus Vermont Bernie Sanders, in der monatelangen Vorwahlserie, ein Drittel der Wahl-Delegiertenstimmen auf sich vereinigen, und somit massgeblichen Einfluss auf das Wahlprogramm nehmen kann.

Wenn im ersten Satz dann die während Jahren allgemein geltende Formulierung, wonach Israel der Staat der Juden ist, aufgegeben wird, ruft das besondere Beachtung hervor: “… a strong, secure and democratic Israel is vital to the interests of the United States”. In dieser Aufzählung fehlt das Wort “Jewish”, das nicht nur für die gegenwärtige israelische Regierung stets wesentliches Merkmal des Staates ist, sondern das auch die Quintessenz des Zionismus war, ist und bleiben muss! Was ist ein Judenstaat Wert, um das Wort von Theodor Herzl zu zitieren, wenn sein jüdischer Charakter keine Rolle spielt? Was ist das Bekenntnis zur Sicherheit Israels Wert, wenn seine “Jüdischkeit” nicht als prägend angesehen wird?

Richtig, dann ist die Haltung eines Kandidaten nicht das Papier Wert, auf den es geschrieben ist. Dann kann dieser Kandidat nicht die Wahl eines Juden für das höchste und prestigeträchtigste Amt der Welt sein. Zu Donald Trump kann man gewiss unterschiedliche Positionen geben. Doch wenn schon der erste Satz seines Herausforderers so nichtssagend-vieldeutig ist, dann ist das ganze Programm nur Geschwafel, und der Kandidat, für den es richtungsweisend sein soll, für einen amerikanischen Juden, schlicht nicht wählbar. Denn am jüdischen Charaakter des Staates Israel darf es keine Zweifel geben, er ist “lebensbestimmend für die Interessen Amerikas”.

Natürlich ist dieser erste Satz nicht alles, wenngleich er über Gebühr enttäuschend ist. Fast schon gewöhnt hat man sich hingegen daran, dass seit 2008 in keinem Wahlprogramm der US-Demokraten die “besonderen Beziehungen” der Vereinigten Staaten zu Israel Erwähnung fanden. So überrascht es kaum, wenn auch den angeblich gemässigten Kräften in der Partei, um den Kandidaten Joe Biden, nicht viel daran liegt, hieran zu erinnern. Warum auch – schliesslich regiert in Jerusalem ja einer, der ihnen so gar nicht in den Kram passt: Benjamin Netanjahu, der dem “göttlichen” Barack Obama im US-Kongress die Leviten gelesen hat, wegen dessen Iran-Politik. Man kann daher gar nicht häufig genug darauf hinweisen, dass die Formulierung bereits vor dem Amtsantritt Obamas fehlte, als Obamas Anhänger das Parteiprogramm bestimmten.

Dafür tauchen andere Lieblingsbegriffe der sog. liberalen Kräfte auf: die “einseitigen Schritte” Annexion und Siedlungsbau. In einem eigenartig anmutenden Versuch der moralischen Equivalenz folgt zwar im nächsten Satz auch die Betonung der Haltung gegen Aufwiegelung und Terror. Dennoch wird bereits heute versprochen, dass ein Demokrat im Weissen Haus die diplomatischen Beziehungen zur palästinensischen Führung wiederbeleben werde, als ob es der gegenwärtige Republikaner im Oval Office gewesen wäre, der systematisch jedes Gespräch verweigert hätte. Geradezu lächerlich mutet es an, wenn ausgerechnet die Partei, welche sich anschickt, Obamas Vizepräsidenten zum Kandidaten zu küren, sich gegen Versuche der unfairen Sonderbehandlung Israels in der UNO ausspricht – als hätte es die Stimmenthaltung im Sicherheitsrat zur Resolution 2334 am 16. Dezember 2016 nie gegeben. Wie erinnerlich, Donald Trump war da schon gewählt und Obama/Biden am Zusammenpacken im Weissen Haus.

Eigenartig für europäische Ohren, wenn das Parteiprogramm sich gegen Boykotte à la BDS ausspricht, nur um im nachfolgenden Halbsatz das “verfassungsmässige Recht auf freie Meinungsäusserung” zu unterstreichen. An dieser Stelle wird besonders deutlich, wie zerrissen die Demokraten sind, wie die Notwendigkeit, die verschiedenen Flügel zufrieden zu stellen und quasi für “jeden etwas dabei zu haben”, dieses Programm bestimmen. Diese Demokraten, ganz besonders jene, die die Interessen des “presumptiven Kandidaten” vertreten, sind gelähmt vor Angst, Flügelkämpfe könnten ihnen den Sieg im November kosten. In weniger als 100 Tagen werden sie es wissen.

Über Thomas Morvay 310 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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