Er landete in Israel um 07:30 und verliess das Land um 15:20 – damit verbrachte US-Aussenminister Michael Pompeo mehr Zeit in der Luft, mit An- und Abreise, als im Land, in Gesprächen mit der israelischen Regierung. Was waren die Ziele dieser Kurzvisite, und war hat er tatsächlich erreicht? Eine Einschätzung.
Michael Pompeos Reise begann gestern kurz vor der Mittagszeit in Washington, und wird, voraussichtlich heute gegen Mitternacht, wieder dort enden. Und weil er in einer gut 20-jährigen militärischen Version der Boeing B-737 unterwegs ist, ist eine Zwischenlandung zum Zweck der Treibstoff-Aufnahme notwendig. Die Reichweite des Fliegers beträgt nach Herstellerangaben 5’600 km, die maximale Flughöhe 12’500 Meter. Also, rein nach der Papierform wirtschaftlicher Unfug, eine Katastrophe für die Öko-Bilanz und in Zeiten der Corona-Pandemie wohl auch ein beträchtliches gesundheitliches Risiko. Letzteres zeigt sich unter anderem, als kurz vor der Landung auf dem internationalen Flughafen Tel Aviv bekanntgegeben wird, dass der US-Botschafter in Israel David Friedman den Aussenminister am heutigen Tag nicht begleiten wird – eine Vorsichtsmassnahme, da Friedman aufgrund einer “leichten Erkrankung der Atemwege” kurzfristig ausfällt.
In einem erst gestern veröffentlichten Exklusiv-Interview mit der Zeitung Israel Hayom nennt Pompeo 3 Themenkreise explizit: die Bekämpfung der Pandemie, die hegemonialen Anstrengungen des Iran in der Region und Chinas Vordringen in den östlichen Mittelmeer-Raum, etwa mit dem Bauauftrag für den Hafen von Haifa. Die gleichen Themen klangen heute früh an, als Pompeo direkt nach der Landung in die Jerusalemer Balfour Street zu seiner ersten Besprechung mit Israel Premierminister Benjamin Netanjahu eilte und die beiden kurze Statements vor ihrem Gespräch abgaben. Offensichtlich wurde dabei vorallem die demonstrative warme Nähe zwischen den Gesprächspartnern.
Es fiel auf, dass Pompeo China mit deutlichen Worten dafür attackierte, dass sie in der Corona-Pandemie nicht offen gegenüber der Welt kommuniziert haben. Die Betonung, dass “Demokratien” miteinander Informationen zum frühest möglichen Zeitpunkt austauschten, war in diesem Zusammenhang ebenfalls ein Angriff auf Peking, das sich ausgesprochen autoritär und demagogisch verhielt. Dies war allerdings heute der einzige Hinweis, dass Washington wenig Begeisterung dafür empfindet, wie die Chinesen sich politisches Gewicht in Europa und auch in Israel verschaffen.
Noch auffälliger war allerdings, welche Bogen beide Politiker um das Thema “Vision for Peace” machten. Schon im gestrigen Interview hat der US-Aussenminister betont, die Entscheidung über die Annexion der grossen Siedlungsblöcke – Israel nennt es die Frage der Anwendung israelischen Rechts in den Blöcken – müsse letztlich in Israel fallen. Keine Andeutung, kein Hinweis darauf, wie weit die Vereinigten Staaten denn gehen werden, sollte diese Entscheidung in den kommenden Wochen fallen und etwa harsche Reaktionen aus Brüssel und von gewissen europäischen Partnern sowohl der USA wie Israels nach sich ziehen. In Bezug auf Michael Pompeo muss die Frage erlaubt sein: will er nicht, oder kann er nicht? Und was bedeutet das für Israel? Hat es mit der Tatsachwe zu tun, dass zwar in Israel morgen Abend eine neue Regierung vereidigt werden soll, dass es aber selbst einen knappen Tag davor nicht klar ist, ob es diese Regierung wirklich geben wird? Es ist zu hoffen, dass die Antworten darauf wenigstens im anschliessenden Gespräch klar wurden.
Auf die eben umschriebenen Fragen durfte man auch zurückkommen, wenn man sich die Begegnungen Pompeos mit dem designierten Vize-Premierminister Benny Gantz und dem voraussichtlichen Aussenminister und damit Amtskollegen Gabi Ashkenazi angeschaut hat. Klar, es konnte nicht die gleiche Nähe und Wärme da sein, wie zwischen Netanjahu und Pompeo. Dazu sind Gantz und Ashkenazi zu steife und spröde Typen – noch immer mehr Militärs denn Politiker. Aber man musste es bemerken, dass es vor diesen beiden Terminen keine Statements vor der Presse gab, auch hinterher fand man keine gemeinsam gespochenen Worte. So wierd man auf die schriftlichen Stellungnahmen warten müssen, um zu erfahren, was sie miteinander besprochen haben und was aussen vor blieb.
Keinerlei Zweifel allerdings konnte in Bezug auf das amerikanisch-palästinensische Verhältnis aufkommen: es gibt’s sie nicht. Nicht nur, dass Pompeo sich mit keinem ihrer Vertreter offiziell traf. Aber gestern hatte der Präsident der Autonomiebehörde seine ärgsten Rivalen, die in Gaza herrschenden Hamas und Palästinensischem Dschihad zu sich nach Ramallah eingeladen. Man mag über Abbas vieles sagen – angefangen von seiner mangelnden demokratischen Legitimität, bis hin zu seiner fragilen Gesundheit – eines muss man ihm aber lassen: er hat sehr deutlich alle Brücken zu Washington verbrannt. Zumindest tut er öffentlich sehr überzeugend so, als läge ihm nichts daran. Wie schon sein Vorgänger tut sich der greise Sphinx in Ramallah schwer, die ihm hingestellten Leiter zu nutzen, um von de nBäumen wieder herunter zu kommen, auf die er in seiner Wut selbst hochgeklettert ist. In Washington, in New York, aber auch in Den Haag und in Brüssel – da müssten ihm schon Flügel wachsen, wenn er da heil herauskommen will.
Von den allermeisten Beobachtern unbemerkt ereignete sich ein Zwischenfall relativ kurz vor der Landung in Tel Aviv. Die Flugverkehrszonen zwischen der Südtürkei, Zypern und Ägypten sind aufgrund der Feindschaft zwischen Griechenland und der Türkei, gelinde gesagt, problematisch. Und so geschah es, dass sich Pompeos Flieger und der Linienflug von Istanbul nach Johannesburg, beide auf ihrer Reiseflughöhe von 35’000 Fuss gefährlich näher kamen als es für sicheres Kreuzen von Luftfahrzeugen vorgeschrieben ist. Ich denke, das wird noch zu reden geben, aber vermutlich nicht öffentlich.
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