Sicherheitsrat beschliesst Verlängerung des UNIFIL-Mandats

UN-Sicherheitsrat
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York City (Photo credit: Neptuul; Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported licence)

Letzte Aktualisierung am 31. August 2020 durch Thomas Morvay

Seit 2006 besitzen die Friedenstruppen der Vereinten Nationen im Libanon ein sog. robustes Mandat. Dies deswegen, weil die Resolution 1701 das Recht auf Durchsetzung ihrer Mission auch mit Waffengewalt erlaubt, in der Sprache der UNO ein sog. Kapitel-VII-Mandat. Seit den verheerenden Explosionen im Hafen von Beirut, zu Beginn dieses Monats, geniesst das Mandat erhöhte Aufmerksamkeit. Kan der UN-Sicherheitsrat, können die Soldaten vor Ort, dem gerecht werden?

(New York) – Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen ist mit “Massnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und
bei Angriffshandlungen” überschrieben. Dieser Abschnitt beschreibt die Massnahmen, die vom Sicherheitsrat beschlossen werden können, “um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen”.

Der Sicherheitsrat stellt fest, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt; er gibt Empfehlungen ab oder beschliesst, welche Massnahmen auf Grund der Artikel 41 und 42 zu treffen sind, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen.

Art. 39 der Charta der Vereinten Nationen

Das Mandat der sog. “United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) ist eines der Ältesten – begründet durch die Resolutionen 425 und 426 des Sicherheitsrates im Jahr 1978, nach Ausbruch des libanesischen Bürgerkrieges. 26 Jahre später, sechzehn Jahre nach dem offiziellen Ende dieses Bürgerkrieges, sah sich der Sicherheitsrat allerdings zu einer Verschärfung des Mandats genötigt: es beschloss Resolution 1701, welches seither jährlich verlängert worden ist. (Näheres dazu s. hier)

Nun ist man erneut 14 Jahre weiter. Die Explosion der, nach bisherigen Erkenntnissen, illegal ins Land gebrachten, unsachgemäss gelagerten, riesigen Menge von Ammoniumnitrat – einem Stoff der zu Sprengstoff und Antriebstreibstoff von Raketen verarbeitet werden kann – offenbart sich erneut das Unvermögen der UNIFIL, ihrem Mandat gerecht zu werden. Die Hintergründe sind vielfältig: zwar sass die Hisbollah bereits 2006 mit in der Regierung, doch stand diese Regierung damals unter der Führung des westlich orientierten Fouad Siniora. Es erschien daher realistisch, dass der Forderung an die libanesische Regierung nach Wiederherstellung der staatlichen Autorität südlich des Litani-Flusses, sowie der Entwaffnung der Milizen, gute Aussichten auf Erfolg beschieden werden könnten. Es sollte nicht sein.

Im, einstimmig angenommenen, Beschluss vom vergangenen Freitag schreibt die Resolution 2539 daher explizit fest, dass

  • der UN-Generalsekretär in seinen periodischen Berichten an den Sicherheitsrat zu den Fortschritten bei der Elablierung der libanesischen Streitkräfte (LAF) im Südlibanon, seine Einschätzung abgibt
  • der begonnene “Strategische Dialog” zwischen UNIFIL und LAF, zur Festlegung von messbaren Benchmarks – deren Ziel die realistische Einschätzung der Fähigkeiten der Land- und Luftstreitkräfte des Libanon ist – fortgesetzt werden
  • die klare zeitliche Abfolge der gemeinsam zwischen UNIFIL und LAF vereinbarten Schritte zur Realisierung der in Resolution 1701 festgelegten Ziele definiert werden
  • die Kapazitäten der libanesischen Marine ausgebaut sowie deren Training durch UNIFIL vorangetrieben werden, damit die libanesischen Seestreitkräfte sukzessive die Aufgaben von zur Kontrolle der seeseitigen Grenzen übernehmen können
  • fordert die Respektierung der Sicherheit und Unversehrtheit der an UNIFIL beteiligten Einheiten, insbesondere durch den Schutz der libanesischen Streitkräfte, sowie durch Vorantreiben der eingeleiteten Strafuntersuchungen vergangener, konkret benannter Zwischenfälle
  • fordert ungehinderten Zugang für die UNIFIL-Einheiten in allen Bereichen und Zonen ihres mandatierten Operationsgebiets
  • erinnert an die Authorisierung von UNIFIL durch den Sicherheitsrat zur Ergreifung von Massnahmen, um feindselige Aktivitäten im Operationsgebiet von UNIFIL zu unterbinden
  • fordert vom UN-Generalsekretär die Evaluation der Ressourcen und Kapazitäten der UNIFIL-Truppen, sowie einen detaillierten Bericht zu ersten konkreten Schritten binnen 60 Tagen

Die Formulierungen der neuen Resolution, die eigentlich “nur” die Fortsetzung des bestehenden Auftrags von UNIFIL bestätigen sollen, sind ungewöhnlich scharf. Sie widerspiegeln damit den Unmut des UN-Sicherheitsrates über die mangelnden Fortschritte in der Erreichung der in Resolution 1701 festgelegten Ziele.

Allerdings bestehen seit geraumer Zeit Zweifel daran, dass die Art. 39ff der Charta der Vereinten Nationen noch den notwendigen Biss besitzen, angesichts von Bedrohungen, denen der Weltfrieden heutzutage ausgesetzt ist:

Threats to peace, violations of security and challenges to world order, which led to the creation of the United Nations (UN) in 1945 will continue. States and state-like entities will continue to approach the UN with their grievances. The credibility and global relevance of the UN hinges on its ability to uphold and enforce its Charter. The UN Security Council invokes Chapter VII of the UN Charter through the use of sanctions and / or subsequent military action when there is a threat to peace and security. Chapter VII resolutions, however, do not always meet their objectives. If Chapter VII reform results in a clearer mission statement with realistic ends, ways, means and parameters in which to operate, the UN will be more reliable and effective in providing global security.

The relationship between the UN and the rest of the world is based on perceptions of capability. The United State’s perception of the UN is driven by the reality that in all cases of Chapter VII sanctions where the sanction evolved into military enforcement, the US was involved. This often resulted in a perception that the UN was unable to carry out Chapter VII operations. Though primarily due to the UN’s membership not providing the UN with the ways and means to live up to its Chapter VII responsibilities, a shift in thinking could improve the UN’s credibility. Member nations can transform the UN into one that promotes its strengths and eradicates its weaknesses.

Quelle: False Security: Amending UN Chapter VII – A Monograph by Major Melinda M. Mate Army – Abstract; School of Advanced Military Studies United States Army Command and General Staff College Fort Leavenworth, Kansas AY 02-03
(https://www.hsdl.org/?view&did=458618)

Die kommenden Monate werden zeigen, inwiefern der markigen Sprache auch konkrete Fortschritte folgen. Erfahrungen in der Vergangenheit lassen allerdings keine Hoffnung auf schnelle Erfolge aufkommen. Die Bevölkerung Beiruts hat unmittelbar nach der Explosion ihrem Unmut Luft gemacht. Es bleibt abzuwarten, ob die lautstarken Proteste auch nachhaltige Veränderungen auslösen, oder einmal mehr als Strohfeuer verpuffen.

Über Thomas Morvay 311 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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