Schweigen ist gold

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Letzte Aktualisierung am 1. Juli 2020 durch Thomas Morvay

Spät in der Nacht, vermutlich erst heute früh, veröffentlichte die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) eine Pressemitteilung ihres Präsidenten Uwe Becker auf der Website des Vereins. Obschon gemäss ihren Leitsätzen sie sich zur Aufgabe macht, die Freunde Israels zu versammeln, macht sich Becker mit dieser Mitteilung nicht nur Freunde – in- und ausserhalb des DIG.

(Berlin) – Uwe Becker hat sich durch sein Engagement in Frankfurt als Beauftragter für jüdisches Leben einen Namen gemacht, weit über Hessens Grenzen hinaus. Seine Wahl 2019 ins Präsidium des DIG ist denn entsprechend auf breite Zustimmung gestossen. All dies droht nun eine Relativierung zu erfahren, denn die Worte, mit welchen er aktuell zitiert wird, dürfen nicht unwidersprochen bleiben.

… halte ich es für geboten, dass die israelische Regierung auf eine einseitige Abänderung des eigenen Territoriums im Westjordanland verzichtet, …

Pressemitteilung DIG vom 25.06.2020

Da können rund um diese Kernaussage noch so viele relativierende Sätze stehen, da kann er noch so lange seinen Erwartungen an andere Akteure Ausdruck verleihen. Dieser Satz hätte nie so gesprochen werden dürfen. Damit das richtig verstanden wird: was Israel tut, wie Israel es tut, das hat einzig die gewählte Regierung Israels zu bestimmen. Und sie braucht bestimmt keinen Rat aus Deutschland. Hat denn Uwe Becker nicht zugehört, als der neue Aussenminister Gabi Aschkenazi vor 10 Tagen klipp und klar, an die Adresse des ihn besuchenden deutschen Ressortkollegen Heiko Maas, erklärt und unmissverständlich deutlich gemacht hat, dass Israel verantwortungsvoll und in Kooperation mit den Partnern in Washington, das tun werde, was es für angebracht erachtet? War das etwa nicht deutlich genug?

Die Unsitte, „es“ Israel als Freund offen zu sagen, ja unverhohlen “in aller Freundschaft“ die eigene Meinung aufzudrängen, hat in diesem Land Tradition. Sie ist um etliche Grade virulenter geworden, seitdem Sozialdemokraten das Auswärtige Amt führen, aber auch Beckers oberste Chefin, die CDU-Kanzlerin Angela Merkel hat sich da nicht mit Ruhm bekleckert. Die Oberlehrer-hafte „Erklärung“ der Welt durch deutsche Politiker ist spätestens seit Helmut Schmidt fester Bestandteil öffentlicher Auftritte. Aber eben, gerade wenn die eigene Auffassungen konträr sind zu denen der“Freunde“, dann posaunt man das nicht heraus, sondern behandelt es diskret, im Briefverkehr oder in einer Videokonferenz. Alles andere erweckt den Eindruck, man spreche für die eigene Klientel, und gar nicht mit dem Freund.

Nun ist für die kommende Woche im Deutschen Bundestag eine Diskussion um 2 Anträge zur „Nahostpolitik“ anberaumt worden. es liegt noch kein Antragstext vor, weder von den Koalitionspartnern, noch von der oppositionellen Die Linke, die auch meint, sich melden zu müssen. Es ist im Ältestenrat daher noch gar keine Einigung über die Traktandenliste erzielt worden, sodass es vielleicht gar keine Beratungen geben wird. Selbst wenn Herr Becker die Absicht hatte, den Koalitionären Schützenhilfe bei der Formulierung ihres Antrags leisten zu müssen – dieser Öffentlichkeit hätte es nicht bedurft.

Über Thomas Morvay 310 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

2 Kommentare

    • Lieber Daniel, ic habe lange mit mir gerungen, ob ich Dich namentlich nennen sollte. Es war nicht meine Absicht, Deine von mir auch auf Facebook unterstützte Gegenrede zu unterschlagen. Um diesen, allenfalls entstandenen Eindruck auszuräumen, und ich entschuldige mich für die Unterlassung.

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