Schüsse in Bochum – Angriff auf die Neue Synagoge

Die Neue Synagoge in Bochum, mit ihrer markanten Fassade, gemahnt an einen Hochsicherheitstrakt. Damit gehört sie zur jüdischen Realität in Deutschland. Copyright: imago/Werner Otto

(Bochum) – In der Nacht vom Sonntag auf Montag fallen Schüsse in Bochum: erst auf die in der Castroper Strasse gelegene Synagoge, wenig später auf das benachbarte Planetarium. Eine Schadensmeldung trifft bei der örtlichen Polzei erst nach Tagesanbruch ein. Geschosshülsen und Videomaterial werden gesichert. Der Staatsschutz nimmt die Ermittlungen auf. Die Polizei mag “noch nicht von einem religiösen” Hintergrund sprechen, wertet gegenwärtig noch Spuren aus und bittet um Hinweise von Zeugen.

Die Meldung schreckt auf, in erster Linie, aber bestimmt nicht ausschliesslich in jüdischen Kreisen. Wenn heutzutage auf eindeutig jüdische Einrichtungen augenscheinlich Angriffe verübt werden, ist man schnell dabei, einen antisemitischen, judenfeindlichen Anschlag zu vermuten. Dass die Bochumer Polizei zur Zeit noch nicht bereit ist, sich darauf festzulegen, begründet sich in den näheren Umständen. Wie die bisher ausgewerteten Videos zeigen, wurden am gestrigen Montag, kurz nach Mitternacht, Schüsse auf die Scheiben im Eingangsbereich abgegeben. Die nach Tagesanbruch herbei gerufene Polizei stellt gummi-ummantelte Geschosshülsen sicher, jedoch nicht nur an der Synagoge sondern auch beim nahegelegenen Planetarium. Der Fall landet beim Staatsschutz, diese veröffentlicht dann am Nachmittag einen Zeugenaufruf: “eine verdächtige Person” habe sich “im Bereich des Planetariums und der Synagoge aufgehalten” und dabei “diese Geschosse abgegeben”.

Bei allem Verständnis für die gegenwärtige Zurückhaltung, unmittelbar Betroffene werden auf verschiedene Indizien hinweisen, welche ein ungutes Gefühl aufkommen lassen. Obschon die Umstände eine eindeutige Reihenfolge der Vorfälle evident werden lassen – die Schüsse wurden erst auf die Synagoge und danach auf das Planetarium abgegeben – ist man seitens der Polizei bemüht, die Bedeutung herunter zu spielen. Man fokussiert in der Verlautbarung auf das Planetarium, die Synagoge wird in der Überschrift an zweite Stelle gesetzt. Auch textlich ist die Umschreibung der vorgefundenen Spuren im Falle ders Planetariums umfangreicher, als legte man es darauf an, diesem Angriffsziel grössere Prominenz zu gewähren. Bei allem Verständnis dafür, dass zur Zeit noch keine Festlegung auf die Motivation des Täters erfolgen kann, sind hier manipulative Anlagen erkennbar. Der ermittelnde Staatsschutz tut gut daran, sich diesen bewusst zu werden und klar entgegen zu wirken.

Dieser Beitrag wurde aktualisiert durch Thomas Morvay, vor 4 Jahren

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Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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