Rücktritt des israelischen Parlamentssprechers

Knessetsprecher Juli-Joël Edelstein

Kurz vor Mittag, und keine 2 Tage nach der Massregelung durch das Oberste Gericht, tritt der Parlamentssprecher Yuli Edelstein zurück.

In einem umstrittenen Entscheid, manche sagen, einer blossen Aufforderung mit dem Charakter einer unverbindlichen Empfehlung, hatte sich das Oberste Gericht des Landes am Montag sich dahingehend vernehmen lassen, dass es erwarte, dass die Neuwahl des Sprechers der Knesset bis spätestens Mittwochabend angesetzt werde. In Israel gilt die strikte Gewaltentrennung, das ist das eine. Das andere ist, dass sich die Judikative in Israel seit den 1990er Jahren Rechte herausnimmt, sich nicht als Kontrollinstanz, aber als ordnende Macht mit mehr oder weniger eindeutig legislativen Kompetenzen zu verhalten. Möglich ist dies wohl dadurch, da das Land keine geschriebene Verfassung und keine Verfassungsgerichtsbarkeit kennt, sondern lediglich eine Reihe von sog. Basic Laws erlassen hat.

Noch ist es unklar, wann es zu einer Neubestellung des Amtes kommen wird. Nach der einen Interpretation wird der Rücktritt des Parlamentssprechers nach einer Frist von 48 Stunden effektiv, sodass ein neu gewählter Parlamentssprecher erst am Sonntag sein Amt würde antreten können. Doch selbst dies ist umstritten. Eine Klärung dazu wird durch den Rechtsberater der Knesset Eyal Yinon, im Verlauf des Nachmittags, erwartet.

Hier nun der Wortlaut der Erklärung:

Mitglieder der Knesset, liebe israelische Bürger,

Am Montag dieser Woche entschied der High Court of Justice, dass der Sprecher der Knesset diese Woche über die Wahl des neuen Knesset-Sprechers abstimmen lassen sollte.

Die Entscheidung des High Court basiert nicht auf der Sprache des Gesetzes, sondern auf dessen einseitige und extreme Auslegung. Die Entscheidung des High Court widerspricht der Satzung der Knesset. Die Entscheidung des High Court zerstört die Arbeit der Knesset. Die Entscheidung des High Court stellt eine grobe und arrogante Einmischung der Justiz in die Angelegenheiten des gewählten Gesetzgebers dar! Die Entscheidung des High Court stellt eine noch nie da gewesene Verletzung der Volkssouveränität und der Souveränität der Knesset dar.

Die Entscheidung des High Court untergräbt die Grundlagen der israelischen Demokratie.

Als Demokrat, als zionistischer Jude, als Kämpfer gegen dunkle Regime und als Sprecher des Parlaments bin ich der Meinung, dass die Entscheidung des High Court eine falsche und schwerwiegende Entscheidung ist, die die Gefahr einer gefährlichen Bürokratie mit sich bringt.

Als jemand, der hohe persönliche Kosten von jahrelanger Inhaftierung und harter Arbeit für das Recht bezahlt hat, als Bürger des Staates Israel leben zu dürfen, muss ich wohl nicht erklären, wie sehr ich den Staat Israel und das Volk Israel liebe.

Und so, als Demokrat, als jüdischer Zionist, als Person, die gegen dunkle Regime kämpft, ebenso wie als Vorsitzender dieses Hauses werde ich es nicht zulassen, dass Israel sich in Anarchie verwandelt.

Ich werde einem Bürgerkrieg nicht Vorschub leisteen!

Ich werde im Geiste von Menachem Begin handeln, der im Juni 1948 während der Altelena-Affäre den Bürgerkrieg verhinderte.

Mitglieder der Knesset, Bürger Israels. In diesen Tagen brauchen unsere Leute Einheit, braucht eine Einheitsregierung. In den Tagen, in denen eine Epidemie uns von außen bedroht und die Kluft uns von innen zerreißt, müssen wir alle als Menschen handeln, wir müssen alle transzendieren.

Wir müssen uns alle vereinen.

Daher ist, für den Staat Israel und um den Staatsgeist in Israel zu erneuern – trete ich hiermit von meiner Amt als Sprecher der Knesset zurück.

Lasst uns für bessere Tage beten und danach handeln.

(eigene Überstzung aus dem hebräischen Original)
About Thomas Morvay 345 Articles
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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