Muss das Mandat für UNIFIL reformiert werden?

UN-Sicherheitsrat
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York City (Photo credit: Neptuul; Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported licence)

Das nächste Showdown der Grossmächte im UN-Sicherheitsrat zeichnet sich ab: Ende August steht die Verlängerung des Mandats der UN-Beobachtermission im Südlibanon in New York auf der Tagesordnung. Während einige Kritiker offen das Ende des Mandats fordern, plädieren manche seiner Kritiker für Reformen. Dass jetzt dringend etwas passieren muss, darin sind sich alle einig.

(New York) – Das Mandat der UNIFIL (auf deutsch Interimstruppe der Vereinten Nationen für den Libanon genannt) gehört zu den ältesten Friedensmissionen im Rahmen der UNO. Polemisch betrachtet liesse sich sagen, die UNIFIL hat den Niedergang des libanesischen Staates seit dem Bürgerkrieg begleitet, während ihr Hauptaugenmerk stets auf Israel gerichtet war. Unter der Prämisse, sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedstaates einzumischen, schwieg sie über lange Zeiträume zur ausländischen Einmischung, erst durch Syrien, später auch und insbesondere durch den Iran. Nur, wenn Israel die militärischen Bedrohungen aus dem Norden einzudämmen und zu kontrollieren versuchte, fand die UNO jeweils ihre Stimme. Auf ausdrücklichen Wunsch der libanesischen Regierung wurde das Mandat seither jeweils um 12 Monate verlängert.

Geschwiegen hat die UNO zum Küstenstrassen-Massaker, als eine Einheit der palästinensischen Fatah, bestehend aus 11, schwer bewaffneten Terroristen am 11.03.1978 aus Libanon kommend, einen Linienbus entführte. Beim Befreiungsversuch durch die israelischen Polizei starben 37 Zivilisten, darunter 10 Kinder, weitere 76 Menschen wurden verletzt. Umgehend verabschiedet hat der UN-Sicherheitsrat die Resolutionen 425 und 426 vom 19.03.1978, als die israelische Armee, als Reaktion auf den Anschlag, bis zum Litanifluss im Libanon vorstiess, um die dort von der libanesischen Armee unbehelligt operierenden PLO-Einheiten zu neutralisieren, und damit eine wiederholte Infiltration von Terroristen aus dem Norden nach Israel zu unterbinden.

Die beiden Resolutionen bilden das Fundament, auf dem das “United Nations Interim Force in Lebanon” (UNIFIL), auf die Beine gestellt, und vorerst für 6 Monate in die Region entsandt worden war. Ihr Auftrag war, den Abzug der israelischen Armee zu bestätigen und die offizielle libanesische Regierung bei der Wiedererlangung ihrer Autorität im Gebiet zwischen Litani und der libanesisch-israelischen Waffenstillstandslinie zu unterstützen. Beide Resolutionen wurden mit jeweils 12 Stimmen dafür und 2 Enthaltungen, in Abwesenheit des Vertreters der Volksrepublik China verabschiedet.

Jedoch war UNIFIL auch in der Folge nicht imstande, weitere Infiltrationen von Terroristen aus Südlibanon zu unterbinden, was 1982 zum Ersten Libanonkrieg führte, mit dem Vorstoss der israelischen Armee bis nach Beirut und der effektiven Vertreibung der PLO nach Tunis. Der Weltöffentlichkeit in Erinnerung gehalten wurde jedoch nur das von christlichen Milizen verübte Massaker in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila, angeblich unter den Augen der israelischen Armee. Innenpolitisch resultierte der Krieg in Israel in einer Schwächung der Regierung Begin, dem Rücktritt des Verteidigungsministers Ariel Sharon und der Errichtung der Kahan-Kommission. Im Libanon füllten die schiitischen Hisbollah- und Amal-Milizen das durch die PLO hinterlassene Machtvakuum. Auch UNIFIL konnte nichts zu einer Erstarkung der staatlichen Autorität beitragen.

UNIFILs Bedeutung wurde evident, als im Jahr 2000, nach der Ankündigung der israelischen Regierung unter Ehud Barak, sich aus dem Libanon zurück zu ziehen, die Grenzlinien definiert wurden, um den Vollzug dieses Rückzuges der israelischen Armee zu überwachen und zu bestätigen. Am 16. Juni 2000 setzte der UN-Generalsekretär den Sicherheitsrat darüber in Kenntnis, dass Israel nach Vorgaben der Resolution 425 sich aus dem Libanon zurückgezogen hatte. Nicht verhindern konnte UNIFIL die Entführung und Ermordung von 3 israelischen Soldaten entlang der sog. Blauen Linie, durch einen Trupp von Hisbollah-Terroristen. Einschliesslich dieses Anschlags folgten in der Zeit zwischen 200-06 rund drei Dutzend Zwischenfälle, welche zusammenfassend als der “Shebaa Farms Konflikt”, unter den wachsamen Augen der UNIFIL, bekannt geworden sind. Ohne nennenswerten Einfluss blieb UNIFIL auf die weitestgehend erfolglosen Versuche des libanesischen Staates, die Hisbollah und andere nicht-staatlichen Milizen zu entwaffnen, wie es in mehreren UN-Resolutionen gefordert wurde.

Als dann am 12. Juli 2006 zwei israelische Soldaten von der Hisbollah entführt worden sind, reagierte Israel: Premierminister Ehud Olmert erklärte den libanesischen Staat als für die Entführung verantwortlich, und die Tat eine faktische Kriegserklärung an Israel. Erst im späteren Verlauf des als “Zweiter Libanonkrieg” bekannten Konflikts präzisierte Israel, dass sie gegen die Hisbollah, aber nicht gegen den libanesischen Staat, Krieg führe. Nach mehreren gescheiterten Versuchen im Rahmen der UNO zur Erreichung eines Waffenstillstandes – welche, wie wir heute wissen, nicht zuletzt durch die amerikanische und die britische Delegationen im UN-Sicherheitsrat aktiv behindert wurden, auch um Israel Zeit zu verschaffen, seine Ziele zu erreichen – gelang die Verabschiedung der Resolution 1701. Diese eröffnete eine neue, bis heute andauernde Phase der Rolle und Bedeutung der UNIFIL, das mit dem Stichwort “robustes Mandat” überschrieben werden kann.

Dieser, insbesondere in der bundesdeutschen Diskussion um die Beteiligung Deutschland an UNIFIL bedeutsame Begriff, soll den Einsatz militärischer Mittel im Rahmen der Ausführung des durch die Resolution neu definierten Mandates umschreiben. Seit 2006 überwacht eine sog. “Maritime Task Force” (MTF) von UNIFIL die libanesische Seegrenze, bestehend aus Schiffen aus 15 Nationen. Sie patrouillieren ebenfalls in den internationalen Gewässern vor der libanesischen Küste, insbesondere um Waffenschmuggel zu unterbinden. Sie hat auch den Auftrag, die libanesische Navy auszubilden, damit diese Aufgabe irgendwann durch diese übernommen werden kann.

Effektiv darf das MTF nur in Kooperation mit der libanesischen Marine operieren. Ihre Kontrollen von anlaufenden Booten – sowohl in den internationalen wie in den libanesischen Küsten-Gewässern – beschränken sich auf ein als “Full Hailing” bekanntes Vorgehen, bei der das kontrollierte Schiff per Funk ausführlich zu Route, Ausrüstung und Ladung befragt wird. MTF kann zwar ein auf diese Weise kontrolliertes Schiff zum Einlaufen in einen libanesischen Hafen auffordern, die weiteren Kontrollen unterliegen aber ausschliesslich der libanesischen Marine. Diese Mängel des UNIFIL-Mandats wurden in Folge der verheerenden Explosion im Beiruter Hafen am 5. August 2020 bekannt und nicht zuletzt durch die Recherchearbeit des “Aktionsforum Israel” zutage gefördert und einer breiteren Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht.

Ein weiterer Schwachpunkt des UNIFIL-Mandates offenbarte sich vor rund anderthalb Jahren, als entlang der israelisch-libanesischen Demarkationslinie Angriffs-Tunnel durch die israelische Armee enttarnt wurden. Durch diese hätten Terroristen nach Israel vorstossen und dort Anschläge und/oder Entführungen verüben können. Israel hatte während mehreren Jahren auf militärische Aktivitäten entlang seiner Nordgrenze hingewiesen, was durch UNIFIL stets zurück gewiesen worden war. Erst als im Dezember 2018 die Tunnel der Weltöffentlichkeit präsentiert wurden, zeigte sich UNIFIL einsichtig und war bereit zuzugeben, dass mindestens 2 der 4 Tunnels von libanesischem Territorium bis nach Israel reichten. Um von ihren eigenen Unzulänglichkeiten anzulenken, griff sie zu einem sattsam bekannten Mittel: sie forderte die libanesische Regierung auf, “Ihrer Verantwortung im Rahmen der Resolution 1701 unverzüglich nachzukommen”. Ähnlich reagierte die libanesische Regierung: Ministerpräsident Saad Hariri forderte von der UNO, “ihrer Verantwortung nachzukommen und die täglichen Verletzungen des libanesischen Luftraumes und Territorialgewässer durch Israel entgegenzutreten.

Mit ohnmächtigem “blame shifting” wird man dem Frieden in der Region keinen Schritt näher kommen. In diesem Zusammenhang sollte auch der Angriff von Hisbollah-Terroristen auf Ziele in Nordisrael vom vergangenen Montag Nacht gesehen werden: nach jüngst veröffentlichten Informationen der israelischen Armee erfolgte der Angriff aus einer Stellung zwischen zwei UNIFIL-Beobachterposten. Sollte das UNIFIL-Mandat seine volle Wirkung entfalten können, bedarf es der aktiven Unterstützung seitens der Mitglieder des Sicherheitsrates. Das Mandat ist dergestalt umzuformulieren, dass es wirklich “robust” wird. Die Abstimmung über eine Verlängerung des Mandats um ein weiteres Jahr, wäre eine gute Gelegenheit hierzu.

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Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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