Kommentar – Nie vergessen!

Letzte Aktualisierung am 9. November 2020 durch Thomas Morvay

Mit dem 9. November beginnt für mich als Juden und als Sprössling zweier Überlebenden des Holocaust der Reigen von Gedenktagen. An diesem Tag, heute vor 82 Jahren, wandelte sich in Deutschland der Charakter des seit 1933 offiziell geduldeten Judenhasses in einen systematisierten, staatlich organisierten Tötungswahn. Hier manifestierte sich der Zivilisationsbruch, von da an wurde klar, dass die Frage nach dem «Warum?», oder die Frage «Wo war Gott?» angesichts des Unfassbaren sinnlos geworden ist.

Die «Kristallnacht» markiert das Ende der Aufklärung in Deutschland. Dort, wo blind wütende Horden ihre Nachbarn erschlagen, deren Kirchen niederbrennen, deren Habe plündern, ist das Recht verwirkt, sich auf irgendwelche «Dichter und Denker» berufen zu können. Wer sich auf dieses Niveau herab sinken lässt, darf die Vernunft nicht mehr als sein Massstab bezeichnen, wer die ratio verwirkt, kann sich nicht mehr Mensch nennen.

Doch an diesem 9. November jährt sich zum 30. Mal der Fall der Mauer. Die Überwindung der Spaltung Europas stellt somit auch das Ende des sinnlosen «Kampfes der -ismen» dar, als die Evolution eine kurze Pause eingelegt hat. Dass der ganz reelle Kampf zwischen Sozialismus und Faschismus, Kommunismus und Nazismus in der Erkenntnis enden muss, dass es keinen Sieger geben darf, ist kein Sieg des Mittelmasses. Im Gegenteil, dies müssen wir als Rückkehr zur Vernunft erkennen.

Über Thomas Morvay 326 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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