Kommentar: Das Gedenken beschmutzt

Direktor Jens-Christian Wagner bei der Kranzniederlegung zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald und Mittelbau-Dora. Rechts neben ihm, im beigen Pullover, die junge Frau, von der im Beitrag die Rede ist. (Lizenz: imago images / Future Image; Copyright: M.Wehnert)

In meinem letzten Beitrag schrieb ich von der Ausladung des deutsch-israelischen Philosophen Omri Boehm, von einem Gedenkanlass.

People are dying in Gaza in a genozide.

Diese Worte sprach am vergangenen Sonntag eine junge Frau, an eben jenem Ort. In Buchenwald, wo der Befreiung des Konzentrationslagers und der dort geschundenen und ermordeten Menschen gedacht wurde. Eine würdige Veranstaltung, zugegebenermassen im Rahmen des wohl einstudierten und ritualisierten Sich-Erinnerns, wie man es leider nur allzu gut kennt.

Was für ein Affront, was für eine Unverschämtheit. Und: was für eine Herabsetzung des Gedenkens durch diese unsägliche implizierte Gleichsetzung! Wie kann jemand – egal wie jung, egal wie unschuldig – auf die abwegige Idee kommen, den industriellen Mord an unschuldigen Juden mit zivilen Opfern in einem Krieg auf eine Stufe setzen. Wie kann jemand das barbarische Regime der Nazis im gleichen Atemzug nennen mit dem demokratischen Staat Israel und seiner zutiefst demokratischen Armee! Es war geboten und es war richtig, dass Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Dora, unmittelbar nach Erklingen dieser Aussage, sich klar und deutlich dazu geäussert hat: “Ja, ich glaube, wir müssen mit den Menschen, die unschuldig im Gazastreifen getötet wurden trauern. Aber, von einem Genozid zu sprechen, wie wir das eben gehört haben, das gehört sich meines Erachtens nicht, an einem Ort wie hier.”

Wie lange wird es wohl dauern, bevor ihm jemand vorhält, im Sold “der Juden” zu stehen!

Dieser Beitrag wurde aktualisiert durch Thomas Morvay, vor 2 Wochen

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Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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