Irans Spione: Blick hinter die Kulissen

2015-07-02 in Wien: Treffen der Delegationen des Irans ud den Vereinigten Staaten. Vorne links Robert Malley, jeweils auf beiden Seiten in der Mitte die Delegationsleiter: John Kerry und Javad Zarif.(Lizenz: imago; Copyright: Sipa USA)

Letzte Aktualisierung am 23. Oktober 2024 durch Thomas Morvay

Dass die Vereinigten Staaten eines der Hauptziele des iranischen Geheimdienstes sind, ist eine Binsenwahrheit. Dass die iranische Spionagetätigkeit in den USA insbesondere auf Israel konzentriert, dürfte ebenfalls kaum überraschen. Aktuell stehen zwei “geleakte” Dokumente im Fokus des öffentlichen Interesses, aber auch die Person des langjährigen Iran-Spezialisten in den Administrationen von Obama resp. Biden, Robert Malley, hat das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit erreicht.

Spionage, ja noch mehr Spione, faszinieren die Öffentlichkeit, vielleicht gerade weil sie mehrheitlich nicht im Rampenlicht stattfinden. Wenn jedoch etwas aus diesem geheimnisumwobenen Bereich an die Oberfläche gelangt, ist das ein untrügliches Zeichen, dass die spricwörtliche “K*cke am dampfen” ist. Und in den vergangenen rund anderthalb Jahrzehnten gelangte ungewöhnlich viel ins Rampenlicht: Chelsea Manning stahl über eine Million hochsensitives Material und leitete sie an Wikileaks weiter, eine vielleicht sogar grössere Menge an Materialien wurde vom IT-Mitarbeiter der National Security Agency (NSA) Edward Snowden entwendet, dessen Wohnsitz in der Folge, und nunmehr seit über 10 Jahren, in Moskau ist. Dass russische Geheimdienste die Präsidentschaftswahlen von 2016 zu beeinflussen versuchten, wurde von investigativen Journalisten bei “The Intercept” im Jahr 2017 öffentlich gemach, die einen Bericht der NSA zugespielt bekommen haben.

Der aktuelle Skandal hat seinen Ursprung in einer bisher nicht verifizierbaren Quelle. Im Mittelpunkt sollen zwei klassifizierte Dokumente stehen, welche mögliche Antworten Israels auf den Raketenbeschuss aus dem Iran analysieren. Dabei geht es um jüngste Übungen der israelischen Luftwaffe, substanziiert durch hochgeheime Satellitenaufnahmen, sowie um die Bereitstellung von Raketen für einen möglichen ballistischen Angriff auf Ziele im Iran. Es wird angedeutet, dass es sich dabei auch um Angriffe mit Atomwaffen-fähigen Raketen handeln soll. Quellen, die diese Dokumente gesichtet haben sollen, attestieren deren Authentizität, zumeist mit formalistischen Argumenten, bekannten Klassifizierungsmerkmalen und deren Platzierung, sowie Hinweisen aus den Formulierungen, welche bekannten Mustern folgen sollen.

Dass die Bekanntmachung solch sensitiver Inhalte, unmittelbar vor den Präsidentschaftswahlen vom 5. November auf iranische Versuche zur Beeinflussung eben dieser Wahlen abzielt, ist eine naheliegende Schlussfolgerung. Dass sie geeignet sind, geplante israelische Reaktionen auf die iranischen Raketenbeschusse zu torpedieren, liegt noch deutlicher auf der Hand. Wer aber kann ein Interesse daran haben? Dass es dem Iran gelungen ist, in den Besitz von solch hochsensitiven Dokumenten zu gelangen, kann zwar nicht ausgeschlossen werden. Zugleich erscheint es aber wenig wahrscheinlich, dass der Iran es über Telegram-Kanälen publik machen würde, im Besitz dieser Dokumente zu sein. Darum gehen die aktuellen Vermutungen in die Richtung, dass US-Insider die Dokumente “geleakt” haben.

Und das führt zu Robert Malley. Bekannt ist, dass der hochrangige Bürokrat im Dunstkreis des “Joint Comprehensive Plan of Action” (JCPOA), den die Biden-Administration aus dem Ruhestand geholt hat, irgendwann im Frühjahr 2023 aus seinem Büro im State Department hinaus eskortiert worden ist und seither in eine Untersuchung wegen Nähe zum Iran kaltgestellt ist. In Kreisen der US-Gegenspionage wird kolportiert, dass Malley klassifiziertes Material auf sein privates E-Mail Konto geleitet hat, das von iranischen Geheimdiensten angezapft war. Meine hauptsächliche Quelle für diesen Bericht schlussfolgert, dass Malley sich im besten Falle eine ungewöhnliche Nähe zu Teheran vorhalten lassen muss, und im schlimmsten Fall der Alger Hiss unserer Tage ist. Der Name dieses Spions – zugunsten der Sowjetunion – der 1930er Jahre, löst in Geheimdienstkreisen nach wie vor Entsetzen aus. Was ein mögliches Involment von Robert Malley in den Skandalen der letzten Zeit brisant macht, ist die Tatsache, dass er der spirituelle Kopf einer ganzen Generation demokratischer aussenpolitischer Spezialisten war und ist, erst unter Barack Obama und aktuell unter Biden-Harris.

Was bisher zum jüngsten Leak bekannt geworden ist, stellt mit höchster Wahrscheinlichkeit nur die Spitze des Eisbergs dar. Ob die breite Öffentlichkeit in der unmittelbaren Zukunft mehr erfährt, steht derzteit in den Sternen. Dass das Ganze ein Mittel in der Schlussphase des Wahlkampfes um die Präsidentschaft ist – und praktisch in jedem Wahlkampf gab es in der heissen Schlussphase solche brisanten Enthüllungen, sog. “October Surprises” – bleibt abzuwarten. Das grösste Opfer, resp. den grössten Schaden unmittelbar daraus, wird Israel davontragen.

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Zur Beachtung

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Über Thomas Morvay 339 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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