In die grosse Trauer mischt sich grosse Wut!

Die Welt "ist betroffen", wie hier im Januar 2024 am Trafalgar Square in London. Unter den Verschleppten sind nicht nur Israeli . aber von ihren Regierungen hört man fast gar nichts, ausser der Aufforderung zur Zurückhaltung, an die Adresse Israels. (Lizenz: imago/ZUMA; Copyright: Thomas Krych)

In den vergangenen Stunden wurde bekannt, dass die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte die Körper von sechs, am 7. Oktober Verschleppten aus einem Tunnel in Rafah geborgen und nach Israel überführt haben. In die tief empfundene Trauer mischen sich auch Gefühle der Wut und des Entsetzens, während zunehmend Einzelheiten bekannt gemacht werden.

Auch wenn der Unabhängigkeitskrieg 1948-49 vielleicht länger gedauert hatte. Der Mehrfrontenkrieg um Israel herum, gegen die Stellvertreter der Mullahs in Teheran, der seit dem epochalen Massaker vom 7. Oktober 2023 im Süden des Landes unablässig stattfindet, ist für meine Generation zweifellos das traumatischste Erlebnis – vielleicht mit Ausnahme des Kreiges im Herbst 1973. Nicht nur, dass die Söhne und Töchter des jüdischen Staates seit bald einem Jahr in Uniform stehen, genauso lang, wie die Bewohner des Südens, und zunehmend auch jene im Norden, unter dem Raketen und Bombenterror leben – selbst dann, wenn sie vielleicht aus ihrem Zuhause evakuiert wurden und seit Monaten in Hotels, behelfsmässig untergebracht sind.

In jenen Oktobertagen verschleppte die Hamas rund 230 Menschen, aus den angegriffenen Kibbutzim um den Gazastreifen, und auch Flüchtende, welche ein friedliches Musikfestival besucht hatten. Von ihnen sind inzwischen mehr als die Hälfte tot. Allein innerhalb der vergangenen 24 Stunden wurden aus einem Tunnelkomplex in Rafah sechs leblose Körper geborgen: Zivilisten, feige ermordet von ihren Wärtern, wahrscheinlich bloss wenige Stunden vor ihrer Befreiung.

Ja, Rafah, der Ort, in den nach öffentlicher Bekundung des amerikanischen Präsidenten und seines Aussenministers die israelische Armee nicht hätte einmarschieren dürfen! Gewiss, “was wäre wenn” ist keine geschichtlich statthafte Frage, aber politisch muss man sie stellen. Da unter den heute aufgefundenen leblosen Körpern sich auch ein israelisch-amerikanischer Doppelbürger befindet, beeilte sich das Weisse Haus um sehr schnelle Stellungnahmen: sowohl der Präsident, als auch seine, im Wahlkampf um seine Nachfolge, stehende Stellvertreterin, beeilten sich mit Stellungnahmen. Was, wenn die Biden-Administration – allen voran Präsident Joe Biden, sein Aussenminister Antony Blinken und sein Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan – Israel nicht wochenlang an der Ausdehnung des Kampfes um die Eliminierung der militärischen Fähigkeiten von Hamas gehindert hätten? Im konkreten Kontext: hätten Menschenleben gerettet werden können?

Allerdings: auch wenn ich nach wie vor davon überzeugt bin, dass wir Juden in der Diaspora nicht das Recht haben, Israel – oder auch bloss ihre politische Elite – für ihr Tun und Lassen zu kritisieren: um Kritik üben zu dürfen müssten wir bereit sein, nach Israel zu gehen, unsere Köpfe für das Land und die Menschen hinzuhalten, anstatt fernab davon, in den warmen Stuben in Europa und anderen Gegenden, “Lehnstuhl-General” zu spielen! Und doch kann ich mich entsinnen, dass es Zeiten gab, wo Israels Kriege kurz und schmerzhaft waren, und wo ihre politischee Führung die markigen Worte mit konkreten Taten untermauerten und Konflikte zeitlich “schlank” bemassen aber effektiv gestalteten. Und ich erinnere mich auch sehr gut daran, wo die Lehren aus Fehlern zwar auch 50 Jahre brauchten, um die Schranken der Geheimhaltung hinter sich zu lassen. Und ich hoffe inständig, dass sie keine 50 Jahre dazu brauchen, sie zu verinnerlichen!

About Thomas Morvay 340 Articles
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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