Nach dem Betätigungs-Verbot der libanesischen Terrormiliz Hisbollah im Nachbarland Deutschland im Frühjahr, unternimmt nun auch die Schweizer Politik einen entsprechenden Anlauf. Bereits im Juni reichte die sog. Mitte-Fraktion zwei Postulate im Parlament ein. Der Bundesrat hat beantragt nun dem Parlament die Annahme und signalisiert zugleich seine Bereitschaft, die darin formulierten Anliegen in einen Bericht einfliessen zu lassen.
(Bern) – In der Schweizer Politik ist das Postulat ein parlamentarischer Vorstoss, der darauf abzielt, die jeweilige Exekutive zur Prüfung zu verpflichten, ob ein bestimmter Sachverhalt eine Massnahme, z.B. ein Gesetz, braucht. Es kann auch von der Exekutive verlangen, einen Bericht dazu auszuarbeiten. Zwar ist damit ein Postulat deutlich schwächer als eine Motion, doch liegt gerade darin seine Attraktivität. Themen, denen zunächst keine klare parlamentarische Mehrheit oder exekutive Akzeptanz sicher ist, können zunächst in der Form eines Postulats eingereicht werden, um dann, eventuell auch nur punktweise, in eine verbindlichere Motion umgewandelt zu werden. Beide Postulate stammen von Mitgliedern der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) der Schweiz, welche mit der Evangelischen Volkspartei (EVP) und der Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP) die sog. Mitte-Fraktion im eidgenössischen Parlament bildet.
Im ersten Postulat der Aargauer Nationalrätin Marianne Binder-Keller wird insbesondere festgehalten, es sei unbekannt, welche Aktivitäten die Hisbollah in der Schweiz entfaltet. Entsprechend stellt die Postulantin Fragen, und definiert als Ziel ihres Vorstosses einen detaillierten Bericht des Bundesrates, die Antworten dazu liefern soll. So will sie Aufschluss darüber erhalten, ob der Nachrichtendienst die Hisbollah überhaupt “auf dem Radar” hat, ob Kenntnisse zum finanziellen Gebahren der Hisbollah in der Schweiz vorliegen (sammelt sie Gelder, besitzt sie Konten), ob sie mit anderen islamistischen Organisationen Kontakte pflegt. Gefragt wird ferner, ob es Anzeichen dafür gebe, dass die Hisbollah nach dem Verbot in Deutschland ihre Aktivitäten in die Schweiz verlagert, und ob die sowohl von der Schweiz wie auch der Europäischen Union gemachte Unterscheidung eines politischen und eines militärischen Armes noch haltbar seien.
Das zweite Postulat, eingereicht von Gerhard Pfister, dem Präsidenten der CVP, verlangt vom Bundesrat zu prüfen, ob die Hisbollah nach deutschem Vorbild auf die Terrorliste gesetzt und mit einem Betätigungsverbot belegt werden kann. Zudem deckt dieses Postulat den möglichen Fall ab, dass der Bundesrat diese Frage verneint und verlangt ausdrücklich von der Exekutive, sich zur Frage zu äussern, unter welchen Voraussetzungen sie dazu bereit wäre. Damit wird offensichtlich, dass die Mitte-Fraktion Stimmungen der Unterstützer Israels in der Schweiz reflektiert, welche sich von der Landesregierung zunehmend alleine gelassen fühlen. Diese beklagen etwa die Ablehnung der Motion Imark, welche die Verwendung von Steuergeldern für Rassismus, Antisemitismus und Hetze, in der Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen und BDS-Kampagnen, unterbinden wollte. Sein Parteikollege Alfred Heer forderte in einem Postulat zu prüfen, ab wann die Schweiz die Botschaft nach Jerusalem verlegen könne. Nachdem der Bundesrat sich in seiner Stellungnahme gegen das Postulat aussprach – mit der Auflistung von Argumenten, welche Heer als “Heuchelei” bezeichnete – zog er sein Postulat zurück.
Es wird interessant sein zu verfolgen, ob durch die jüngste Entwicklung, der gewaltigen Explosion im Hafen von Beirut, sowie durch die sehr eindeutigen Missmutsbezeugungen der libanesischen Zivilbevölkerung gegenüber der Hisbollah, die Bereitschaft auch in der Schweiz wächst, genauer hinzuschauen. Doch, wie alles in der schweizerischen politischen Landschaft, kann das noch eine Weile dauern.
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