Gedenken und Skandal liegen in Deutschland so nahe beisammen!

Omri Boehm an der Frankfurter Buchmesse 2024(Lizenz: imago; Copyright: Dt. Nachrichtenagentur)

In den Sozialen Medien tobt mittlerweile eine handfeste Schlacht, es geht um eine Einladung einer bestimmten Person an die Feier zum 80, Wiederkehr der Befreiung des Konzentrationalager Buchenwald. Der Geladene ist Omri Boehm, laut Wikipedia ein israelischer-deutscher Philisoph und Hochschullehrer. Die Einladung an ihn wurde insbesondere von der Botschaft des Staates Israel in Berlin publik gemacht und mit deutlichen Worten kritisiert.

Boehm hat in der jüngeren Vergangenheit in einem Buch über seine Sicht auf Israels Zukunft geschrieben, in dem er insbesondere fordert, die Zwei-Staaten-Lösung hinter sich zu lassen und einen föderalen, binationalen Staat mit den palästinensischen Arabern zu schaffen, eine “Republik Haifa”. Er sieht darin keinen Widerspruch zum Zionismus, sondern im Gegenteil, eine Rückkehr zu “ursprünglichen Idealen”, wie sie auch von Threodor Herzl und David Ben-Gurion diskutiert wurden.

Ihn eingeladen – und nun wieder ausgeladen – hat die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Wie dessen Präsident Jens-Christian Wagner erklärt, habe er seine Entscheidung nach einem Gespräch mit Boehm getroffen, um einen “sich abzeichnenden Konflikt” mit der Regierung Israels abzuwenden. Als sein oberstes Ziel bezeichnet Wagner dabei, die Überlebenden nicht in eine politische Auseinandersetzung zu ziehen und damit zu instrumentalisieren.

Die israelische Botschaft äusserte sich in einem Post auf X (ehemals Twitter), das wir hier auch als Bild widergeben:

Die israelische Botschaft äusserte sich in einem Post auf X (ehemals Twitter). Damit antwortete die Botschaft insbesondere auf eine Darstellung in SPIEGEL Kultur, die die bekannt gewordene Ausladung Boehms auf angeblichen Druck Israels dargestellt hat. In klassischer Spiegel-Manier stand im Text zu einer Fotografie Boehms, dieser sei “[g]eschätzt, aber gerade nicht erwünscht”.

Uns stellt sich insbesondere die Frage, ob Gedenkstättenleiter Wagner sich nicht genügend über die Person des Referenten Boehm informiert hatte, oder ob er gar zumindest billigend in Kauf nahm, damit einen handfesten Skandal zu provozieren! Dann wäre seine Aussage in bezug auf die Überlebende mehr als nur geheuchelt. Wie dem auch sei, es steht leider ebenso fest, dass anscheinend in Deutschland, auch 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, eine sachliche Diskussion nicht möglich ist. Stellvertretend für die Gesamtheit der – teilweise degutanten – Wortmeldungen zitieren wir den eingermassen bekannten deutschen Journalisten der “Welt” Deniz Yücel, dessen erster Post zum Thema (von ihm unerklärlicherweise als “2” gekennzeichnet) nachfolgend widergegeben wird:

Gerade im Wissen darum, dass Yücel sein profundes journalistisches Handwerk beherrscht, muss diese Stellungnahme mehr als befremden! Aber eben: 80 Jahre sind anscheinend nicht genug, in Deutschland!

Dieser Beitrag wurde aktualisiert durch Thomas Morvay, vor 2 Wochen

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Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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