Gaza neu denken – Donald Trump ist zurück

US-Präsident Donald Trump empfängt Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, als ersten ausländischen Besucher im Weissen Haus. (Lizenz: imago / NurPhoto; Copyright: Copyright: Lenin Nolly)

Je länger die Wartezeit wurde, umso banger fragte man sich, was der israelische Premier Netanjahu mit Präsident Trump zu bereden hatte. Anstatt um 23 Uhr MEZ, kamen sie erst über eine Stunde später durch die Tür, aus dem Oval Office. Und was Donald Trump dann zu verkünden hatte, liess schlagartig wieder bewusst werden, wieso seine erste Amtszeit so “ausserordentlich” gewesen war: stets um eine Gehirnwindung weiter als die ganze Welt, und nichts war mehr erwartbar und planbar. Oder, wie es Benjamn Netanjahu formulierte: jedes Mal, wenn man seine herunter gefallene Kinnlade vom Boden aufgesammelt hat, musste man feststellen, wie recht der Mann hatte!

Beim ersten Hören klingt es noch als ein Versprecher des US-Präsidenten: die Vereinigten Staaten werden den Gazastreifen übernehmen, dessen 1.8 Millionen Bewohner umsiedeln und eine neue “Riviera des Nahen Ostens” aufbauen. Ja, umsiedeln – denn in Gaza ist kein Stein mehr auf dem anderen, alleine das Wegräumen des Schuttes und der detonierten Bomben wird Jahre brauchen. Und natürlich müsse man sicherstellen, die Terrortunnel vollständig beseitigt zu haben. Wenn das sich nicht irrsinnig genug anhört, muss man total abgebrüht sein.

Und dann setzt die Erinnerung wieder ein: Gaza, das ist das Territorium, das völkerrechtlich keinem Land zugerechnet wird, nicht Ägypten, aber auch nicht Israel. 1948 sind ein Teil jener Araber dorthin gekommen, nachdem sie die arabischen Staaten aufgefordert hatten, den Weg freizumachen, damit sie die Juden ins Meer treiben können. Und, als das vollmundige Kriegsgeschrei sich nicht bewahrheitet, da will niemand diese Menschen aufnehmen, sie werden zu staatenlosen Geflüchteten. Und bleiben das auch, als Israel 1967 den Sinai erobert und bis 2005 hält. Die Bewohner des Streifens finden in jenen Jahren nur Arbeit in Israel, eine eigene Wirtschaft aufbauen, das konnten und wollten sie nie.

In Oslo bekam die in diesen Vereinbarungen neu geschaffene Autonomiebehörde das Recht, die Zone zu verwalten. In der Zweiten Intifada ging vom Küstenstreifen eine ebenso grosse Gefahr aus, als vom Gebiet westlich des Jordans, der sog. “Westbank”. Deshalb, und nur deshalb entschied Ariel Sharon, sich einseitig aus Gaza zurück zu ziehen. Es war die Zeit, als die entsetzlichen Bilder entstanden, wo israelische Soldaten die eigenen Landsleute mit Gewalt aus den von ihnen erschaffenen Siedlungen entfernten. Viel böses Blut ist in jenen Tagen in Israel entstanden, noch viel mehr als damals, unmittelbar vor der Staatsgründung, als die Haganah und der Irgun sich buchstäblich bekriegten. Gush Katif ist bis heute der Inbegriff der bürgerkriegsähnlichen Zustände geblieben, der die Wut hochkochen lässt.

Mohamed Dahlan, Arafats Statthalter in Gaza, hielt sich noch knapp ein Jahr lang, bevor ihn die Hamas vertrieb, welche aus den abgehaltenen Wahlen siegreich hervorging. In Ramallah stieg er zu einem der Gegenspieler des zunehmend autokratisch herrschenden Mahmud Abbas auf, bis heute. Und auch die Hamas musste sich der Realität stellen, dass ein wirtschaftlicher Aufbau in gaza nicht gelingen konnte, sie deshalb die Grenzen öffnen müssen, um die Bevölkerung in Israel arbeiten zu lassen. Irgendwann im zweiten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts wurde ein Teil dieser Handlanger zu Spionen, welche die Verhältnisse in den südlichen Kibutzim so genau auszukundschaften vermochten, dass der 7. Oktober 2023 möglich war!

Es kann einen nur mit massloser Wut erfüllen, wie in diesen Jahren insbesondere Politiker in Europa noch immer von einer Zwei-Staaten-Lösung schwadronierten, und die tickende Zeitbombe ignorierten! Zu ihnen gesellten sich erst Barack Obama und später Joe Biden, die sich nie zu schade waren, von der unverbrüchlichen Solidarität zu Israel zu reden, während sie eiskalt dem jüdischen Staat die Messer in den Rücken stiessen. Aus all diesen Gründen ist aus diesem Schlamassel nur ein Ausweg möglich: man muss Gaza “neu denken”! Natürlich ist Zwangsumsiedlung nicht die Lösung. Aber eventuell bringt die Drohung damit die Araber vom Nil bis hin zur Arabischen Halbinsel dazu, sich endlich zu ihrer Verantwortung zu bekennen! Darum musste es Benjamin Netanjahu der erste ausländische Besucher im Weissen Haus von Donald Trump werden.

Und jetzt dürfen Sie ihre Kinnladen aufsammeln und erkennen, dass er im Grunde genommen insoweit recht hat, dass man Gaza neu denken muss, indem man sich auf die Ursprünge besinnt!

Dieser Beitrag wurde aktualisiert durch Thomas Morvay, vor 4 Monaten

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Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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