
Im Ständerat stehen heute gleich vier Motionen zur Debatte, im Zusammenhang mit dem Verhältnis zum und dem Umgang mit dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA):
- Motion 24.3815: Für eine Reform der Flüchtlingshilfe für Palästinenser:
- Der Bundesrat wird beauftragt, sich bei der internationalen Staatengemeinschaft für eine Nachfolgelösung für die UNRWA einzusetzen und seinen Mitteleinsatz entsprechend auszurichten, sobald es die aktuelle kriegerische Auseinandersetzung in Gaza zulässt. Dabei hat der Bundesrat Alternativen zu prüfen, zum Beispiel ob die Palästinenserhilfe in das Flüchtlingshilfswerk UNHCR integriert werden kann.
- Der Nationalrat, als erstbehandelnde Kammer, hat die Motion am 9.09.2024 angenommen (Für Annahme der Motion: 126 Stimmen, Dagegen: 63 Stimmen, Enthaltungen: keine
- Auch die Aussenpolitische Kommission des Ständerates hat zugestimmt, allerdings mit Änderungen
- In seiner Stellungnahme signalisierte der Bundesrat grundsätzliche Unterstützung und empfahl die Motion zur Annahme
- Der Bundesrat wird beauftragt, sich bei der internationalen Staatengemeinschaft für eine Nachfolgelösung für die UNRWA einzusetzen und seinen Mitteleinsatz entsprechend auszurichten, sobald es die aktuelle kriegerische Auseinandersetzung in Gaza zulässt. Dabei hat der Bundesrat Alternativen zu prüfen, zum Beispiel ob die Palästinenserhilfe in das Flüchtlingshilfswerk UNHCR integriert werden kann.
- Motion 24.3194: Sofortige Einstellung der Beiträge an das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA):
- Der Bundesrat wird beauftragt
- 1. die Beiträge an das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) per sofort einzustellen.
- 2. dafür zu sorgen, dass die UNRWA in Zukunft keine weiteren finanziellen Beiträge erhält.
- Der Nationalrat, als erstberatender Rat, hat die Motion am 9.09.2024 angenommen (Für Annahme der Motion: 99 Stimmen, Dagegen: 88 Stimmen, Enthaltungen: 7 Stimmen)
- Die Aussenpolitische Kommission des Ständerates mit 6 zu 6 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten zur Annahme empfohlen
- Der Bundesrat beantragt die Abweisung der Motion
- Der Bundesrat wird beauftragt
- Motion 24.3469: Umleitung des UNRWA-Sockelbeitrags 2024 in die humanitäre Nothilfe für die Bevölkerung in Gaza:
- Damit der Schweizer Beitrag an die humanitäre Hilfe im Gaza weiter gewährleistet werden kann, wird der Bundesrat beauftragt, die Gaza-Hilfe dahingehend anzupassen, dass der Schweizer Sockelbeitrag 2024 an die UNWRA zugunsten der Nothilfe an die palästinensische Zivilbevölkerung umgeleitet wird. Damit sollen verschiedenste Hilfsaktionen finanziell oder materiell (Lebensmittel, Medikamente etc.) direkt unterstützt werden, unabhängig wer die logistische Umsetzung vor Ort vornimmt. Es soll sichergestellt werden, dass die Hilfsgüter über gesicherte Korridore in den Gazastreifen gelangen, und der Bevölkerung kostenlos zur Verfügung gestellt werden können, und dass keine direkten Geldüberweisungen an die UNRWA getätigt werden.
- Der Nationalrat, als erstberatender Rat, hat die Motion am 9.09.2024 angenommen (Für Annahme der Motion: 120 Stimmen, Dagegen: 73 Stimmen, Enthaltung: 1 Stimme)
- Die Aussenpolitische Kommission des Ständerates beantragt einstimmig, die Motion abzulehnen
- Der Bundesrat beantragt ebenfalls die Ablehnung
- Standesinitiative 24.309: Die Schweiz soll ihren Beitrag an die UNRWA umgehend überweisen:
- Gestützt auf Artikel 160 Absatz 1 der Bundesverfassung vom 18. April 1999,
- Artikel 115 des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung und
- Artikel 156 des Geschäftsreglements vom 13. September 1985 des Grossen Rates des Kantons Genf (Loi portant règlement du Grand Conseil de la République et canton de Genève);
- und in Anbetracht dessen, dass:
- die dramatische humanitäre Krise im Gazastreifen anhält;
- die UNO dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA = United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East) das Mandat erteilt hat, die Grundbedürfnisse der palästinensischen Flüchtlinge in den Bereichen medizinische Versorgung, Bildung, humanitäre Hilfe und Sozialdienste zu decken;
- die Bevölkerung in Gaza stark von der Hilfe der UNRWA abhängig ist und sich diese Abhängigkeit seit Kriegsbeginn noch verstärkt hat;
- zahlreiche Länder, namentlich die Europäische Union, Frankreich, Japan, Deutschland, Kanada, Schweden, Australien, Norwegen, Dänemark, Island, Finnland und Spanien, ihre UNRWA-Beiträge bereits seit mehreren Monaten wieder bezahlen;
- die Schweiz und Genf, der europäische Sitz der Vereinten Nationen, einer humanitären Tradition verpflichtet sind;
- der Genfer Grosse Rat kürzlich zwei Texte verabschiedet hat, nämlich das Gesetz PL 13382 «pour une contribution d’urgence en faveur des organismes humanitaires agissant dans la bande de Gaza» (Für einen dringlichen Beitrag an die humanitären Organisationen im Gazastreifen) und die Resolution R 1026 «Cessez-le-feu ! Pour la protection des civils et le respect du droit humanitaire en Israël et dans les Territoires palestiniens occupés» (Waffenruhe! Für den Schutz der Zivilbevölkerung und die Einhaltung der Menschenrechte in Israel und in den besetzten palästinensischen Gebieten),
- fordert der Grosse Rat des Kantons Genf die Bundesversammlung und den Bundesrat auf,
- den Beitrag der Schweiz an das UNRWA umgehend zu überweisen.
- Die Aussenpolitische Kommission des Ständerates empfiehlt, der Motion keine Folge zu geben. Entscheidet sich der Ständerat gegen die Motion, wird diese abgeschrieben und ist somit erledigt.
Der Ständerat beschloss zuerst, die Motion für eine Reform des Hilfswerks in der ursprünglichen, vom Nationalrat genehmigten, Fassung nicht anzupassen: eine knappe Mehrheit von 24-20-0 Stimmen votierte sie für die Beibehaltung der Fassung des Nationalrats. Damit stand fest – wie es der Sprecher der Minderheit, Daniel Jositsch, ausführte – dass man in “gut-schweizerischer Manier” eigentlich nichts sagt, und sich schlicht in dieser Unverbindlichkeit, wohlfühlen darf. Anschliessend wurde in stiller Zustimmung, also einstimmig, die Motion angenommen. Somit ergeht an den Bundesrat der Auftrag, den Reformwillen unseres Landes international zu vertreten, wobei die konkrete Lösungsansätze durch andere definiert werden.
Die Radikalität der “Motion Zuberbühler” war bereits in den Abstimmungen im Nationalrat sowie in der ständerätliche Kommission deutlich geworden. Und während eine Minderheit der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates – in Anlehnung des Berichts der ehemaligen französischen Aaussenmoinisterin Catherine Colonna – damit argumentierte, die UNRWA sei im gesamten Nahen Osten für Millionen von Menschen tätig und somit implizite unersetzbar bliebe, betonten die Sprecher, die sich für die Annahme aussprachen, in welchem Ausmass das Hilfswerk – in vollem Wissen und Stillschweigen der Vereinten Nationen – durch die Hamas unterwandert und damit ideologisch instrumentatlisiert worden ist! Dafür dürfe die Schweiz keine finanziellen Mittel zur Verfügung stellen! Im Gegenteil: wenn schon beide Räte “A gesagt haben” – also sich für eine Reform aussprachen – bedeute dies im Umkehrschluss, dass man dieser dringend reformbedürftigen Organisation ab sofort nicht mehr Finanzmittel zusprechen dürfe. In der Abstimmung folgte eine Mehrheit der Kommissionsminderheit sowie dem Antrag des Bundesrates, und verwarf die Motion mit 19-25-1.
Praktisch diskussionslos verwarf anschliessend der Ständerat die als “veraltet” betrachtete Motion, den Sockelbeitrag von 2024 umzuleiten. Anschliessend folgte der Rat der Empfehlung seiner Kommission, der Standesinitiative des Kantons Genf keine Folge zu leisten. Dieses letztere Geschäft geht nun an den Nationalrat.
Dieser Beitrag wurde aktualisiert durch Thomas Morvay, vor 1 Monat
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