Die schlimmste antisemitische Verunglimpfung des Jahres

Pressekonferenz mit Rabbi Abraham Cooper vom Simon Wiesenthal Center im Hotel de Rom Thema ‚Current Anti Semitism in Germany Europe Berlin‘ (Copyright: imago/Charles Yunck

Letzte Aktualisierung am 31. Dezember 2022 durch Thomas Morvay

Los Angeles – Eınmal ım Jahr veröffentlicht das in Kalifornien beheimatete Simon Wiesenthal Center eine Liste der „Top 10“ des Judenhasses, zugegeben aus einer sehr amerikanischen Perspektive. Und doch erfüllt sie eine wichtige Aufgabe, indem sie den Finger in die Wunde legt, aufrüttelt und zu einer Auseinandersetzung mit Trends zwingt, die auch in der europäischen Sichtweise Beachtung verdient, ja nachgerade verlangt. Oder – tut sie dies wirklich?

Simon Wiesenthal war ein grosser Europäer. Die einen sahen im Überlebenden des Holocausts in fünf Konzentrationslagern den „Nazijäger“, andere den verdienstvollen Humanisten, dessen Losung „Recht, nicht Rache“ verdientermassen zur Überschrift seiner Biografie geworden war. Die darin enthaltenen Charakterisierungen des Wesens von Judenhassern, zu einer Zeit, als dies in weiten Teilen Europas nicht gehört werden wollte, ist gerade darum ein frühes, ein wichtiges Zeugnis geworden: es belegt, dass der Antisemitimus noch längst nicht ausgemerzt ist, dass die Mechanismen aus zwei Jahrtausenden noch sehr lebendig in den Köpfen der Menschen herumspuken.

Mit dem in den späten 1970er Jahren in den Vereinigten Staaten gegründeten Zentrum hatte Wiesenthal, ausser der Namensgebung, nichts zu tun. Dennoch erklärte er einmal, diese würde nach seinem Ableben sein Vermächtnis bleiben, auch nachdem die vielen Ehrungen, die ihm zu Lebzeiten zuteil geworden waren, untergegangen sein werden. Mit der Auflistung der sog. „Top 10 der schlimmsten antisemitischen und -israelischen Entgleisungen“ begann das Zentrum vor 12 Jahren, sieben Jahre nach Wiesenthals Tod. Deutsche schafften es von Anbeginn in diese Aufzählung: Tilo Sarrazin (2010) und Jakob Augstein (2012) waren frühe Exponenten, welche das SWC „würdig“ befand. Während diese Benennungen weitgehend geräuschlos über die Bühne gegangen waren, erregte die Auflistung des deutschen UN-Botschafters Christoph Heusgen erstmals grössere mediale Aufmerksamkeit. Und 2021 schaffte es erstmalig ein Antisemitismusbeauftragter – der Islamwissenschaftler Michal Blume aus dem Land Baden-Württenberg – auf Platz 7 der Liste.

Für das eben auslaufende Jahr sieht das Simon Wiesenthal Center den Sänger Kanye West, stellvertretend für viele „Influencer“ für seine rassistischen und klar antisemitischen Ausfälle auf dem Spitzenrang. Platz 2 gehört Francesca Albanese, einer ehemaligen Juristin für das UNO-Hilfswerk für die Palästinenser, die nun als Sonderberichterstatterfür Menschenrechte in Palästina amtet, beim Menschenrechtsrat in Genf. Und an dritter Stelle folgt Mahmud Abbas, für seine, zeitweilig von der deutschen Justiz geprüften verleumderischen Aussagen von „50 Holocausts, verübt von Israel an den Palästinensern“ im Kanzleramt in Berlin, in Anwesenheit des Hausherrn, dem es die Sprache verschlug und der eine ganze Nacht der Reflexion brauchte, um seiner Empörung Ausdruck zu verleihen. Weitere Platzierungen erhielten antisemitische Vorfälle in den USA, und zu guter Letzt das Kurznachrichten-Netzwerk von Chinas Gnaden, Telegram.

Keine Erwähnung findet in der diesjährigen Liste das Regime der Mullahs in Teheran. Es veranstaltete auch 2022 einen Karikaturenwettbewerb am sog. Al-Quds-Tag, mit dem Antisemiten weltweit an die Pflicht erinnern, Jerusalem zu befreien – von den Juden. Es arbeitete weiterhin – weitestgehend ungehindert – an der Urananreicherung, also der Entwicklung von kernwaffenfähiger Munition, mit der es „die zionistische Einheit“ auslöschen will, in Klartext: Israel.

Auch im abgelaufenen Jahr klammerten sich die sogenannten P5+1, die permanenten Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates und die Europäische Union an die Fiktion der „Wiederbelebung“ des Iran-Deals, selbst nachdem es dem einfältigsten der Tagträumer klar sein musste, dass die iranischen „Gesprächs“-Partner lediglich eine Hinhaltetaktik verfolgten, währenddessen sie munter an der Bombe weiter bastelten. Darin nicht eine antisemitische Grundhaltung zu erkennen, bedarf schon einer ganz besonderen Verblendung. Und Geldhungers, einer Grundhaltung den Judenhasser gerne Juden andichten. Auch aus diesem Grunde bedurfte es der brutalen Bekämpfung der Auflehnung gegen die „Sittenwächter“-Polizei, bevor etwa die Exportrisiko-Finanzierung in Deutschland im letzten Quartal 2022 offiziell beendet worden war.

Über Thomas Morvay 311 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

1 Kommentar

Schreibe einen Kommentar zu Peter Scheiner Antworten abbrechen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*