Die Jerusalem Erklärung zur strategischen Zusammenarbeit

der US-Präsident Joe Biden und Israels Ministerpräsident Yair Lapid unterzeichnen in Jerusalem ein gemeinsames Bekenntnis zur Sicherheitskooperation.Lizenz: imago-images/Pool

Letzte Aktualisierung am 14. Juli 2022 durch Thomas Morvay

Jerusalem/Israel – Die Regierungschefs der beiden Länder Vereinigte Staaten von Amerika und Israels, Joe Biden und Yair Lapid haben am heutigen 14. Juli 2022 die sog. Gemeinsame Erklärung zur USA-Israel Strategischen Partnerschaft in Jerusalem unterzeichnet.

Darin bekräftigen die beiden Staaten die “unzerbrüchlichen Bande zwischen [ihren] beiden Ländern und die andauernde Verpflichtung der Vereinigten Staaten zu Israels Sicherheit”. Sie betonen das “gemeinsame unerschütterliche Fundament zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ‘Tikkun Olam'” als wesentliche Bestandteile der gemeinsamen Werte und Interessen sowie ihrer Freundschaft. In der Erklärung erinnern sie auch an die vergangene Regierung, angeführt durch Naftali Bennett, welche “die an Diversität unübertroffen in Israels Geschichte” gewesen sei – was wohl eine Anerkennung der durch diese geleistete Vorarbeiten darstellt.

Nicht fehlen darf in der Erklärung, was ein Eckwert der bilateralen Beziehungen beider Ländern gilt, die Erhaltung des “qualitativen militärischen Vorsprungs” [QME=qualitative military edge; die Red.], zu welchem sich sämtliche US-Präsidenten seit Lyndon B. Johnson bekannten. In Geiste dieses Bekenntnisses steht in der Erklärung,

… to preserve and strengthen Israel’s capability to deter its enemies and to defend itself by itself against any threat or combination of threats. The United States further reiterates that these commitments are bipartisan and sacrosanct, and that they are not only moral commitments, but also strategic commitments that are vitally important to the national security of the United States itself.

Veröffentlicht durch das Weisse Haus, am 14. Juli 2022

Unerlässlich in diesem Zusammenhang ist die Bekräftigung der Verpflichtung der USA, “niemals zu erlauben, dass der Iran in den Besitz von Nuklearwaffen gelangt, und dies mit allen zu ihrer Verfügung stehenden Mitteln der nationalen Macht sicherzustellen”. Dieser Verpflichtung wird – quasi gleichrangig – die Verpflichtung beiseite gestellt, gemeinsam mit ihren Partnern, “Irans Agression und destabilisierenden Handlungen, ob direkt oder durch Proxys und Terrororganisationen wie Hisbollah, Hamas oder Palästinensisch-Islamistischen Dschihad”, zu begegnen.

Interessant sodann die ausdrückliche Anerkennung der sich aus dem “historischen USD 38 Mrd. Absichtserklärung” [MOU=Memorandum of Understanding; die Red.] ergebenden Verpflichtungen, welches im letzten Jahr der Amtszeit von Präsident Obama unterzeichnet wurde, als Joe Biden Vizepräsident war. Darin enthalten ist auch das Verständnis, dass durch sich ergebenden neuen “Bedrohungen und Realitäten” durch weitere Absichtserklärungen Rechnung zu tragen ist. Explizit wird die Bereitstellung weiterer Geldmittel – über die ursprünglichen USD 38 Mrd. hinaus – gegen die Bedrohung, welche sich etwa aus der militärischen Konfrontation mit Hamas, im Mai des vergangenen Jahres entwickelt haben. Die beiden Parteien bekräftigen “ihren Enthusiasmus, die Verteidigungspartnerschaft in neuesten Technologien, wie lasergestützte Waffensysteme” fortzusetzen, um “Israels Lufthoheit zu verteidigen, inskünftig auch in Zusammenarbeit mit anderen Sicherheits-Partnerländern der Vereinigten Staaten und Israels”.

Man erinnert sich noch, welche verbal-diplomatische Verrenkungen zu Beginn der Regierungszeit Bidens notwendig zu sein schienen, als State Department und White House sich nicht in der Lage sahen, den Erfolg, insbesondere durch Beteiligung der Trump-Administration, der sog. Abraham Accords anzuerkennen. Davon ist mittlerweile nichts mehr zu merken: in der Vereinbarung werden die Friedens- und Normalisierungsabkommen Israels mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Marokko als von “kritischer Bedeutung” zu den Friedensabkommen mit Ägypten und Jordanien ausdrücklich gewürdigt, auch in ihrer Bedeutung für die regionale Sicherheit, den Wohlstand und den Frieden. Dazu zählt inzwischen auch das durch Yair Lapid initiierte und durchgeführte ‘Negev Summit’, das im Text als “Wahrzeichen der gemeinsamen Bemühungen beider Länder um ein regionales Framework des sich verändernden Nahen Ostens” zu gelten habe.

Der Besuch Bidens findet nicht im luftleeren Raum statt. Unter diesem Aspekt darf man sich fragen, was dazu geführt hatte, dass auch der Ukrainekonflikt und die gemeinsame Positionierung darin in der Erklärung Eingang gefunden hatten. Aufhorchen lässt sodann die Erwähnung von BDS: neben der eindeutigen Zurückweisung der Kampagne erstaunt es, wenn im gleichen Atemzug vom Recht auf freie Meinungsäusserung gesprochen wird. Wenn im Text vom Zusammenstehen in der UNO die Rede ist, kommt man nicht umhin, sich an das, von Israel als Verrat empfundene, Nicht-Veto im Sicherheitsrat in den letzten Tagen der Obama-Regierung zu erinnern. Die dort verabschiedete Resolution bezeichnet etwa die Klagemauer im Jüdischen Viertel Jerusalems als “besetztes Gebiet”, was nicht nur aus jüdischer und israelischer Sicht eine völkerrechtlich umstrittene Positionierung sein darf. Und sie steht in direktem Bezug zum heutigen Spaziergang Bidens durch “Ost-Jerusalem”, wenn nicht gar zu seinem Besuch in Ramallah.

Auch die Behandlung des Konflikts zwischen Israel und den palästinensischen Araber lässt wohl so manche Augenbraue hochschnellen. Klar, an erster Stelle steht die Verurteilung der jüngsten Terrorwelle gegenüber Juden durch “radikale Kräfte, wie der Hamas, welche die Stimmung anheizen wollen, um Gewalt und Terror zu entfachen”. Aber dann unmittelbar darauf von der “langfristigen Unterstützung der Zwei-Staaten-Lösung” durch Präsident Biden zu sprechen, hört sich irgendwie nicht richtig an. Das angestrebte friedliche Zusammenleben verhindern nicht bloss die Extremisten der Hamas, da hat sich die angeblich mit friedlichen Mitteln des Widerstands kämpfende Palästinensische Autonomiebehörde – im Schlepptau der PLO und deren führenden Fraktion Fatah – welche in Personalunion vom greisen Mahmoud Abbas angeführt werden – auch nicht gerade mit Ruhm bekeckt. Und das wird nicht einmal angedeutet?

Über Thomas Morvay 310 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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