Basel – Basel rüstet sich für das Grossereignis! So schien es zumindest während Monaten, und das war auch dringend erforderlich, nach dem Fiasko von 2017, als die Basler Regierung alle Pläne kurzfristig aus dem Kalender strich, nach dem sie auf eine zu kurze Planungsphase verwiesen hatte. Wichtige Veranstaltungen des Vorprogramms wurden kurzfristig umgestaltet, und mit Prof. Michael Wolfssohn sagte ein geplanter Teilnehmer seine Beteiligung bereits ab.
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Der Kanton Basel-Stadt, zusammen mit Suissepeace und der Offenen Kirche Elisabethen, hatten für diese Woche ein Reihe von Podiumsdiskussionen unter der Überschrift “Zionismus von verschiedenen Seiten beleuchtet” geplant, doch am Wochenende verkündete das Präsidialdepartement plötzlich, substantielle Sicherheitsbedenken zu haben, was Änderungen notwendig machte. Ein Anlass wurde in den virtuellen Raum verlegt, zwei weitere vom Kasernen-Areal im Kleinbasel auf die andere Rheinseite, in die Aula der Universität. Die Begründung, der Kasernen-Hauptbau genüge den Sicherheitsanforderungen nicht, das Kollegiums-Hauptgebäude der Universität am Petersplatz aber schon, lässt sich für unsere durchaus ortskundige Redaktion nicht nachvollziehen! Eine Antwort auf unsere journalistische Anfrage finden Sie am Ende dieses Beitrags.
Für den ersten Abend am 23. August 2022, thematisch als “Zionismus: Traum und Wirklichkeit” angekündigt, war ein hochkarätiges Podium vorgesehen:
- Ahmad Mansour, arabischer Israeli, Psychologe und Autor
- Esther Shapira, Journalistin und Filmemacherin
- Ralph Lewin, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes SIG
- Prof. Michael Wolfssohn, Historiker
- eine “Vertretung der Botschaft Israels in Bern”
- Frank Lorenz, Moderation, Pfarrer der Offenen Kirche Elisabethen
- Peter Bollag, Moderation, Journalist und Projektleiter bei Christlich-Jüdische Projekte CJP
Dass Prof. Wolfssohn “kurzfristige Unannehmlichkeiten” – gemäss Angaben auf der Website des neuen Veranstalters – vorgab, mag ein Kompromiss gewesen sein, denn immerhin wird er in der Jüdischen Allgemeinen mit einem Hinweis auf “sicherheitspolitische Probleme” zitiert, zudem soll er an anderer Stelle gesagt haben, ohne Publikum lohne es sich für ihn nicht, in seinem Alter den beschwerlichen Weg in Angriff zu nehmen. Jedenfalls wurde auch der Moderator Peter Bollag in seinen einleitenden Worten deutlich, indem er die Tatsache, dass die Veranstaltung ohne ein anwesendes Publikum übers Internet gestreamt wurde, als ein “ziemliches Armutszeugnis” für die Stadt Basel (“meine Heimatstadt”) charakterisierte.
In der Veranstaltung selbst wurden einige interessanten Akzente gesetzt. So sprach Peter Bollag die aktuelle Krise der Documenta Fifteen (D15) an. Ahmad Mansour sah den ausgebrochenen Konflikt aus der Perspektive der D15 als vorprogrammiert, der sich aus der Optik “globaler Süden=Opfer / Globaler Norden = immer Täter” fast zwangsläufig ergibt, und wo Antisemitismus, ob israelbezogen oder nicht, den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellt. Das wollte auch Esther Shapira, für Deutschland, als gegeben sehen, wenngleich sie anstelle von Anti-Israelismus eher den Judenhass generell, nicht so differenziert, hervorhob. Für Ralph Lewin sprechen die periodischen Erhebungen in der Schweiz eine deutliche Sprache, wo bis zu 39% antijüdische Ressentiments, als eines der kritischen Eckwerte erhoben würden. Folgerichtig sieht er die Aufklärung als zentrale Aufgabe an, um stereotypen Bildern entgegen zu wirken.
Ausserordentlich spannend sodann die Antworten auf die Bitte von Frank Lozenz, die Teilnehmer mögen für sich “ihren” Zionismus definieren. Mansour, der sich eingangs als “anders” positionierte – kein Jude, kein Zionist – bekannte freimütig, wie insbesondere eine Überlebende der Shoah, die er in Israel traf, ihm neue Perspektive zu geben:
Diese Frau sagte mir, sie lebe in Israel, weil sie nie mehr, für ihre Sicherheit, für ihr Überleben, auf andere Länder und Nationen angewiesen sein wolle. Die Alliierten hätten Auschwitz bombardieren können, sie taten es aber nicht.
Ahmad Mansour schildert eine prägende Erfahrung zum Thema Zionismus
Einen ähnlichen Fokus wollte auch Ralph Lewin sehen:
Zionismus ist natürlich älter als der moderne Staat Israel. Er ist geprägt von der Idee, Juden seien nur in Israel sicher, und dass alle Juden in Israel zusammengefasst werden müssen. Wichtig ist, die Werte jüdischen Lebens einfliessen zu lassen.
Ralph Lewin zum Thema Zionismus heute
In der Schlussrunde sollten die Teilnehmer einen Ausblick wagen: wenn in 25 Jahren wieder eine Jubiläumsveransgtaltung organisiert würde, was erhoffen sich die Teilnehmer dannzumal zu feiern? Esther Shapira ist überzeugt, dass den “Abraham Accords” mit weiteren Nachbarn Verträge folgen würden und es in einem Vierteljahrhundert zu einer EU des Nahen Ostens gekommen sein würde. Für den Psychologen Mansour ist zu hoffen, dass man weiter daran gearbeitet haben wird, Begegnungen zu ermöglichen, dass Juden und Araber sich nicht einschüchtern bzw. abschrecken liessen. Israel sieht er noch erfolgreicher, doch wenig Hoffnung sieht er für die palästinensischen Araber. Dem setzte Ralph Lewin ein anderes Bild entgegen, der seiner Hoffnung Ausdruclk verlieh, dass “Palästinenser und Israeli” zueinander finden mögen.
Die Veranstalter haben das vollständige Video-Stream online gestellt.
Wir haben die Verantwortlichen der Stadt um eine Stellungnahme zu unseren Fragen gebeten:
UPDATE: Am Sonntag versammelte sich eine sehr überschaubare Schar von Demonstranten in unmittelbarer Nähe des Basel SBB-Bahnhofs. Die “No Zionist Congress”-Protestgetriebenen marschierten vom De Wette-Park über die Freie Strasse und der Mittleren Brücke zum Claraplatz. Somit waren sie beim geschichtsträchtigen Nobelhotel “Aux Trois Rois” – an der Schifflände – am nächsten zu den historischen Stätten des Ersten Zionistenkongresses, wo das Bild des nachdenklichen Theodor Herzl auf dem Balkon über dem Rhein entstanden war. Über die Anzahl der Teilnehmer im Protestzug gehen die Meldungen deutlich auseinander: irgendwo zwischen 150-300 marschierten mit, das sie begleitende Polizeiaufgebot dürfte insgesamt höher gewesen sein. Das war in Basel auch schon anders, und es darf als klare Schlappe für die Organisatoren verbucht werden! Und auch die Frage sei an dieser Stelle erlaubt: was für eine Marketingstrategie verfolgt die Basler Zeitung, dass sie fast alle Berichte über die Gegendemonstration nur hinter einer Bezahlschranke berichtet hat?
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