Demonstrationsrecht, Meinungsfreiheit und Judenhass – ein schwieriger Spagat?

Uwe Becker, der Antisemitismusbeauftragte des deutschen Bundeslandes Hessen, engagiert sich seit Langem und fordert schärfere Gesetze gegen Judenhass. Hier bei einer Pressekonferenz im Jahr 2021 (Lizenz: imago; Copyright: Reiner Zensen)

Es wäre naïv anzunehmen, dass in Deutschland – aufgrund des “schwierigen Erbes” – die Antwort besonders klar wäre. Dass dem nicht so ist, beweist das Beispiel der Antisemitismusbeauftragten in unserem nördlichen Nachbarland. Erst seit 2018 gibt es dieses Amt auf Bundesebene, und noch immer sind auf Länderstufe nicht alle 16 Posten besetzt. Der vielleicht bekannteste unter ihnen ist jedoch Uwe Becker, der bis 2021 als Bürgermeister und Kämmerer der Stadt Frankfurt am Main amtete.

Erst am Ende des vergangenen Jahres hat sich der Antisemitismusbeauftragte des Landes Hessen deutlich gegen “Israelphobie” positioniert, bereits davor engagierte er sich auch gegen israelfeindliche Demonstrationen. Eine solche findet regelmässig am sog. “Al-Kuds-Tag” statt, eine Schöpfung des Mullahregimes in Teheran, am letzten Tag des Fastenmonats Ramadan.

Becker wollte auch in diesem Jahr die in seiner Stadt geplante Demonstration an diesem Tag verbieten lassen. Das hessische Verwaltungsgericht hat dem jedoch einen Riegel geschoben und das bereits ausgesprochene Verbot gekippt. Becker wird aktuell mit den Worten zitiert:

…dass erneut eine Al-Kuds-Demonstration stattfinden kann, ist unerträglich. Dies verschärft die Gefährdung jüdischen Lebens bei uns in Hessen unmittelbar und beschädigt in erheblichem Masse die öffentliche Sicherheit und Ordnung in unserem Land.

[…]

Wenn unsere bisherigen Gesetze so weit ausgelegt werden können, dass Vernichtungswerbung gegen Israel nicht untersagt werden kann, wenn also moderne Auschwitz-Tage auf deutschen Straßen ermöglicht werden, dann müssen unsere Gesetze gegen Judenhass verschärft werden. Denn der Geist von Auschwitz liegt über diesem Tag, wenn die Vernichtung Israels und damit auch der Mord an Millionen israelischer Jüdinnen und Juden propagiert wird.

Uwe Becker, in der Frankfurter Rundschau, vom 29.03.2025

Beckers deutliche Worte sind zu begrüssen. Wenn in Deutschland mit “Auschwitz” argumentiert wird, so ist der Ernst der Lage nicht hoch genug anzusiedeln. Zugleich muss gesagt werden, dass dies auch notwendig erscheint, angesichts der zunehmenden Abstumpfung gegenüber den angemahnten Tendenzen in der deutschen Gesellschaft. Und diese sind nicht nur bei unseren nördlichen Nachbarn zu beobachten. Denn leider wissen wir auch, wie schnell solche Ermahnungen als Scharfmacherei und unnötige Panikmache abgetan werden. Und leider auch, wie häufig genau dies von der angepassten Mehrheit von Juden auch als eigentlicher Auslöser für Judenhass abgetan wird. Nichts wäre verhängnisvoller!

Dieser Beitrag wurde aktualisiert durch Thomas Morvay, vor 4 Wochen

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Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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