Das Int. Strafgerichtshof auf Abwegen – Politisierung zulasten Israels?

Photo credit: imago images/Luiz Rampelotto

Letzte Aktualisierung am 9. Februar 2021 durch Thomas Morvay

(Den Haag) – Auf Ersuchen der Chefanklägerin, Frau Fatou Bensouda, erklärte sich das Gericht mit Mehrheitsentscheid als zuständig, auf dem Gebiet der von Israel seit 1967 besetzten Territorien eventuell begangene Kriegsverbrechen zu untersuchen. Es ist dies der vorläufig letzte Schritt in einer, durch den Entschluss der UN-Generalversammlung eingeleiteten Entwicklung, “Palästina” als Nicht-Mitglied mit Beobachterstatus aufzunehmen.

Die Abstimmung über die Resolution 67/19 erfolgte am 29. November 2012, dem Jahrestag des Beschlusses über den Teilungsplan im Britischen Mandatsgebiet. Wie erinnerlich, hatte die politische Führung des “Jischuw”, also die Juden, den Plan angenommen, während die Araber sie ablehnten, und stattdessen, nach dem Abzug der Briten, den jüdischen Staat überfielen. Genau 65 Jahre später, unter dem Eindruck der durch Salam Fayyad eingeleiteten Massnahmen zur Eindämmung der Korruption und Bildung staatlicher Strukturen, beschlossen die Vereinten Nationen:

1. Reaffirms the right of the Palestinian people to self-determination and to independence in their State of Palestine on the Palestinian territory occupied since 1967;

2. Decides to accord to Palestine non-member observer State status in the United Nations, without prejudice to the acquired rights, privileges and role of the Palestine Liberation Organization in the United Nations as the representative of the Palestinian people, in accordance with the relevant resolutions and practice;

[…]

Ausschnitt aus Res. 67/19 Status of Palestine in the United Nations

Drei Jahre später, unter den Eindrücken der kriegerischen Auseinandersetzungen in Gaza, wie auch der doppelzüngigen Haltung der US-Vermittler John Kerry und Martin Indyk, gelangten die Palästinenser an den Internationalen Strafgerichtshof. Als Voraussetzung dazu anerkannten sie die Zuständigkeit des Gerichts:

In conformity with Article 12, paragraph 3, of the Rome Statute of the International Criminal Court (‘the Statute’), the Government of the State of Palestine hereby recognizes the jurisdiction of the Court for the purpose of identifying, prosecuting and judging authors and accomplices of crimes within the jurisdiction of the Court committed in the occupied Palestinian territory, including East Jerusalem, since June 13, 2014.

Declaration Accepting the Jurisdiction of the International Criminal Court, vom 31.12.2014

Obschon es für das Verständnis der aktuellen Vorgänge nicht erforderlich ist, soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass das Datum des 13.06.2014 bewusst gewählt wurde: nach allgemein akzeptierter Auffassung erfolgte die Entführung und Ermordung der 3 israelischen Jugendlichen Eyal Yifrach, Gilad Shaar und Naftali Fraenkel am Tag davor, durch arabische Terroristen der Hamas, was selbst durch Khaled Meshaal zugegeben worden ist. Während also die Tat selbst nicht untersucht werden darf, sollen die durch die Palästinensische Autonomiebehörde erhobenen Vorwürfe einer “kollektiven Bestrafung” durch Israel – in der Form von Massenfestnahmen der Hamas-Anhänger im Rahmen der Aufklärung der Tat – sehr wohl in den Kompetenzbereich des ICC fallen.

In ihrer Eingabe, argumentierte Chefanklägerin Fatou Bensouda, der Reihe nach, dass:

  • dass es ihr Recht ist, gemäss Art. 19, Abs.3 eine rechtlich zu klärende Frage an das Gericht zu stellen, noch bevor feststeht, dass es einen zu behandelnden Fall gibt; und das das Gericht die gestellte Frage ebenso in der gleichen Phase eines Verfahrens (also vorgängig) zu beantworten habe,
  • dass das Gericht nicht bereits jetzt die Frage zu klären habe, ob “Palestina” ein Staat sei,
  • dass die Tatsache, dass “Palästina” die Beitrittsdokumente zum Römer Statut an den Generalsekretär der Vereinten Nationen übergeben habe, ihre Eigenschaft als “State Party” für die Chefanklägerin in genügender Weise ergibt, und dass
  • die Zuständigkeit des Gericht in dem in der Eingabe spezifizierten Gebiet, sich darauf gestützt ergibt, sowie dass
  • die Festlegung in den Oslo-Verträgen, wonach “Palästina” keine Rechtsgewalt über israelische Staatbürger hat, noch dass sie eine solche in der sog. “Area C” nicht ausüben kann, die Kompetenzen des IStGH in keiner Weise einschränkt.

Worauf das hinausläuft, dürfte dem in der Materie einigermassen klar geworden sein: es solle von Anfang an verhindert werden, dass über die äusserst komplexen Fragen des Konflikts bereits in dieser Vorphase diskutiert, geschweige denn geurteilt werde. Mit andweren Worten, Chefanklägerin Fatou Bensouda wollte von allem Anfang an damit in die Geschichtsbücher eingehen, dass sie Israel in Den Haag auf die Anklagebank gesetzt hat. Dafür nahm sie billigend in Kauf, dass im späteren Verlauf des Verfahrens – an der sie in aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr als Chefanklägerin beteiligt sein wird, weil ihre Amtszeit im Juni 2021 zu Ende geht – der gesamte Fall scheitert, an Fragen, die eben bereits heute im Raum stehen.

Für sich alleine schon, belegt dies den Vorwurf der Politisierung des Int. Strafgerichtshofs. Es ist daher zutiefst bedauerlich, dass ihr eine Mehrheit des “Pre-Trial Chamber I” dabei gefolgt ist, und dass somit Richter Péter Kovács mit seiner Minderheitenmeinung alleine steht.

Über Thomas Morvay 311 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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