Die Chefanklägerin im Abseits – wohin steuert das IStGH?

Photo credit: imago images/Luiz Rampelotto

Letzte Aktualisierung am 7. März 2021 durch Thomas Morvay

(Den Haag) – Während sie schon mit ihren jahrelangen, verbissenen Anstrengungen und Machenschaften, sich als Werkzeug der sog. palästinensisch-arabischen Lawfare missbrauchen zu lassen und in den nicht nachlassenden Bemühungen, Israel vor das Tribunal zu schleppen, im Scheinwerferlicht der Kritik befand, manövriert sich Frau Fatou Bensouda – kurz vor Ende ihrer Amtszeit als Chefanklägerin der Internationalen Strafgerichtshofs – vollends ins Abseits. Sie erweist damit auch dem Gericht einen Bärendienst. Doch das scheint sie wenig zu kümmern.

Mit ihrer gestrigen Erklärung auf der Website des Gerichts bestätigt Bensouda die Eröffnung einer Untersuchung, wie sie im holprigen Englisch schreibt, “respecting the Situation in Palestine”. Die Wortwahl ist keineswegs zufällig, unterstreicht sie doch ihre Argumentationslinie vor dem Pre-Trial Chamber I des Gerichts, vor Monatsfrist. Wie wir damals berichteten, berief sie sich in jener Argumentation darauf, dass die palästinensischen Araber bereits im Zuge ihres Beitritts zum Römer Statut, durch diese als Staat anerkannt worden wären, und somit legitimiert seien, vor dem Gericht Klage einzureichen.

Under the Rome Statute, where a State Party has referred a situation to the Office of the Prosecutor and it is determined that a reasonable basis exists to commence an investigation, the Office is obliged to act. As a first step, the Office is required to notify all States Parties and those States which would normally exercise jurisdiction over the crimes concerned about its investigation. This permits any such State to request the Office to defer to the State’s relevant investigation of its own nationals or others within its jurisdiction in relation to Rome Statute crimes referred to in the notification (subject to possible Pre-Trial Chamber review).

Erklärung von Fatou Bensouda, Chefanklägerin des IStGH vom 3. März 2021

Palästina – ein Staat? Die PLO verfolgt diesen Traum seit Jahrzehnten, öffentlich seit der Erklärung von Algiers vom 15. November 1988. Als Beleg, dass sie diesem Ziel immer näher gekommen ist, kann sie die Anerkennung als Nicht-Mitglied mit Beobachterstatus in den Vereinten Nationen verbuchen, verbrieft in der Resolution 67/19 der Generalversammlung. Dies allerdings ist eine sehr eigenwillige Auslegung, welche im internationalen Recht keine Entsprechung findet: nach Massgabe sämtlicher einschlägiger Kriterien, welche das Völkerrecht an die Staatseigenschaft stellt, ist Palästina kein Staat.

Die Realität sieht so aus: bis Arafats Tod hat es die PLO niemals geschafft, auch nur annähernd die Strukturen zu realisieren, welche ein Staat nicht nur in der Theorie, aber insbesondere in der politischen Praxis aufweisen muss. Mahmoud Abbas, Arafats Nachfolger war angetreten, um dies zu ändern. Er erhielt von der Weltgemeinschaft jede Menge Vorschuss-Lorbeeren, insbesondere als er den international geachteten Technokraten Salam Fayyad ins Amt des Ministerpräsidenten berief. Fayyads erklärtes Ziel war nicht nur die Schaffung staatlicher Strukturen, er war ebenso entschlossen, der endemischen Korruption ein Ende zu bereiten. Zwischen 2007-13 erreichte er in all diesen Feldern substanzielle Fortschritte. Doch am Ende war er gescheitert. Die Korruption bleibt nach wie vor die einzige lebensfähige Struktur, welche sowohl in den Autonomiegebieten wie auch in Gaza eine Realität ist.

Wie obiges Zitat aus derErklärung Bensoudas belegt, ist aus der Sicht des IStGH insbesondere entscheidend, dass ein Land glaubhaft demonstrieren kann, über eine unahängige Justiz zu verfügen. Die Chefanklägerin geht in Ihren Aussagen gar so weit, dass sie in diesem Punkt eine Äquivalenz zwischen Israel und der Autonomiebehörde stipuliert. Wie sie zu einer solch abstrusen Schlussfolgerung gelangt, wird für immer ihr Geheimnis bleiben: die palästinensische Polizei agiert mit Willkür, die Justiz in Ramallah und Gaza-Stadt urteilt im Interesse der Machterhaltung ihrer Klientel der Oligarchen und politischen Führung. Justitia muss auch in Den Haag blind sein, aber nicht so blöd, wie Bensouda sie zu verkaufen trachtet. Es beleidigt die Intelligenz ihrer Leser- und Hörerschaft, wenn sie das versucht.

Den Palästinensern kann das egal sein, sie haben kein Interesse daran, dass Verletzungen der Menschenrechte in ihrem Verantwortungsbereich untersucht werden. Nur aus diesem Grund wählten sie ganz bewusst als Datum des Beitritts zum Römer Statut den 13. Juni 2014: nur einen Tag zuvor hatten Terroristen 3 israelische Teenager entführt und ermordet – und dadurch die Eskalationsspirale in Gang gesetzt, aus dem der vorerst letzte militärische Konflikt um Gaza entbrannt war. Ihre als Lawfare bekannte Strategie zielt darauf, Israels politische und militärische Spitze vor ein Tribunal zu zerren, das Assoziationen etwa zu den Nürnberger Prozessen wecken soll. Diese Bestrebungen dürfen nicht von Erfolg gekrönt werden.

Bensouda hat fünf Jahre gebraucht, um das Gericht an diesen Punkt zu führen. Massgebliche Autoritäten, auch in den Rängen des Gerichts selbst, aber in der Hauptsache von ausserhalb, haben sich gegen die Politisierung gewandt, gegen das palästinensische Lawfare. Bensouda ist nun am Ende ihrer Wegstrecke beim IStGH angelangt, mehr Schaden kann sie wohl nicht mehr anrichten. Es ist zu hoffen, dass ihr Nachfolger, der britische Jurist Karim Khan, wenigstens die Verfahrensökonomie anders beurteilt und die Untersuchung dorthin entsorgt, wo sie hingehört: auf den Misthaufen der Geschichte!

Über Thomas Morvay 310 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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