Letzte Aktualisierung am 16. September 2020 durch Thomas Morvay
Unter grosser Beachtung fand gestern die feierliche Unterzeichnung zweier Friedensabkommen zwischen Israel und seiner arabischen Nachbarn in Washington statt. Dies sind die ersten Verträge in einem Vierteljahrhundert, welche durch die Vermittlung der USA zur Unterschriftsreife geführt wurden. Durch Abwesenheit glänzte dabei, nebst den Palästinenser, die medialem Strohfeuer leider auch sehr reale Raketen auf den Süden Israels hinterher schickten, einmal mehr die Europäische Union – eigentlich unverständlich.
Unterzeichnet wurden gestern drei Papiere, was leider in der ansonsten für ihre vorbildliche Organisation bekannte Medienregie des Weissen Hauses nicht immer so klar war. Als thematische Klammer über den beiden anderen Dokumente steht dabei die als “Abraham-Abkommen” bekannt gewordene Absichtserklärung, der sich in Zukunfrt weitere Interessenten werden anschliessen können. Sie regelt, in allgemein gehaltener Form, die Details konkreter Abkommen und dient der begrifflichen Deutung: Aussöhnung resp. Beendigung des Kriegszustands, wirtschaftliche Kooperation und die Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen.
Hiervon losgelöst sind die eigentlichen formellen Staatsverträge zwischen jeweils Israel und dem spezifischen arabischen Nachbarstaat – am gestrigen Anlass eben die Vereinigten Arabischen Emirate und das kleine, aber militärisch und diplomatisch bedeutsame Königreich Bahrain. Dabei ist es vollkommen klar, dass diese beiden Länder mit der stillschweigenden Unterstützung ihres grossen Nachbarn Saudi Arabien agieren. Und den Saudis ist insbesondere wichtig, durch den Schulterschluss mit den USA und Israel, eine gemeinsame Front gegenüber den hegemonialen Bestrebungen Irans zu markieren.
Auffallend in allen vier Ansprachen am gestrigen Tag, die der eigentlichen Unterzeichnungszeremonie vorangestellt waren: es gab fast keinen direkten Bezug zu dem, was die Nahostpolitik der vergangenen 50 Jahre dominiert hatte, die sog. “Palästinenserfrage”. Das bisherige Paradigma scheint bedeutungslos geworden zu sein, wonach es keine Aussöhnung zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn geben könne, bevor das Schicksal der Palästinenser geregelt ist, bevor es, mit israelischem Einverständnis, zur Errichtung eines Staates Palästina kommt – in welcher Form auch immer.
Aus der Verweigerungshaltung sowohl der sog. Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah, welche an die berüchtigen drei Nein von Karthum aus 1967 anschliesst, und jener der Terrororganisationen im Gazastreifen, der Hamas und Islamischen Dschihad, leiten die arabischen Staaten, die wichtigen Geldgeber der palästinensischen Araber, nur ab, dass die Palästinenser keinen realistischen Plan haben. Sie stören sich inzwischen sehr öffentlich daran, dass das vormals zentrale Ziel – seit den Tagen des sog. Pan-Arabismus des ägyptischen Herrschers Nasser, sowie hernach durch den zunächst bewaffneten Kampf der PLO Yasser Arafats, bis hin zum gewaltfreien Kampf der PA – nicht durch eine pragmatischere Herangehensweise abgelöst wird, und wohl auch, dass die vielen Dollars aus der arabischen Wüste auf Bankkonten in der Schweiz und anderswo verschwinden, anstatt der palästinensischen Bevölkerung und der Bildung staatlicher Strukturen zugute zu kommen.
Offensichtlich an der gestrigen Veranstaltung in Washington waren die Bemühungen aller Beteiligten, den amerikanischen Präsidenten Donald Trump gut aussehen zu lassen, der sich in der heissen Phase des Präsidentschafts-Wahlkampfes befindet. Doch, kann dies wirklich noch überraschen? Sowohl die Golfstaaten wie auch Israel haben Donald Trump sehr viel zu verdanken, und sie brauchen ihn. Sie sind auf den Schulterschluss mit der einzigen verbliebenen Grossmacht angewiesen, den sich seiner Rolle als Weltpolizist entziehen wollenden Amerikanern, um gegen Iran bestehen zu können. Gemessen an dem, was Trumps Vorgänger, die Administration Obama-Biden vollbracht haben, ist von einer eventuellen Administration Biden-Harris, nichts Gutes zu erwarten, nicht für Israel, aber auch nicht für seine arabischen Nachbarn.
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