MSC: Maas zu NATO und Multilaterialismus

Der deutsche Aussenminister Heiko Maas an der Münchner Sicherheitskonferenz (Quelle: MSC / Niedermueller)

Letzte Aktualisierung am 28. Februar 2020 durch Thomas Morvay

„Die internationale Zusammenarbeit steckt in einer beispiellosen Rezession“, lautet die Eingangsthese des deutschen Aussenministers an der Münchner Sicherheitskonferenz. Eine neue Ordnung sei im Entstehen, welche allerdings wenig mit „liberal“ oder „regelbasiert“ Sein zu tun hätte. Die USA, vormals „Weltpolizist“ und omnipräsent, wie es Heiko Maas charakterisiert, zögen sich augenscheinlich zurück, man schaue bloss nach Syrien, Afghanistan oder Afrika.

Über die Zukunft des Nahen Ostens werde neuerdings in Astana und Sotchi entschieden, und nicht etwa in Genf, Brüssel oder New York. In. Die von Maas diagnostizierte geopolitische Lücke im Nahen Osten drängten andere: Russland, Türkei und Iran.

Durchaus auch selbstkritisch, führt der Aussenminister aus, hätten sich Europäer vor diesem Rückzug der Amerikaner die Augen verschossen. Doch, inzwischen haben auch die letzten in Europa verstanden, dass „wir mehr tun müssen“, um etwas an diesem Befund zu ändern. Für Maas sind es insbesondere 3 Aufgaben, welche auf Europa warteten.

Erstens, Europa wird seine Stärken ausspielen müssen, etwa in der NATO, in Form der europäischen Verteidigungsallianz. Gemeinsam mit Frankreich arbeite Deutschland intensiv an einem strategischen Dialog. Deutschland ist bereit, sich verstärkt zu engagieren, auch militärisch. An den ehemaligen sozialdemokratischen Verteidigungsminister Peter Struck erinnernd, postuliert Maas, deutsche Sicherheit werde nicht nur am Hindukusch verteidigt, inzwischen auch im Irak, in Libyen oder in der Sahelzone.

Europa habe sich stark gezeigt und sich bewährt, in seinen Vorgehensweisen nach den grossen Kriegen der Vergangenheit. Nach dem Dreissigjährign Krieg im Westfälischen Frieden, in der Neuordnung des Kontinents nach den Napoleonischen Kriegen am Wiener Kongress, bis hin zu den Römischen Verträgen oder der Schlussakte von Helsinki. Europa habe bewiesen, dass es „Ordnungsmodelle im Angebot“ hätte, welche langfristig tragen.

Zweitens, müssen multilaterale Bündnisse und Allianzen an die neue weltpolitische Realität angepasst werden. Das bedeute auch, konkrete Politik für mehr europäische Souveränität zu entwickeln – politisch, ökonomisch, technologisch und wertebasiert.

Am Beispiel des Irak zeigt Maas, was er meint, wenn er sagt, wir müssen auch die Zusammenarbeit in der NATO neu denken. Während es richtig gewesen sei, dass sich die NATO von 17 Jahren nicht am Krieg beteiligt habe, sei die Situation heute eine grundlegend andere: es ginge um die Ausbildung der irakischen Streit- und Sicherheitskräfte für den Kampf gegen die Terroristen des IS. Gerade die NATO als multilateral orientierte Organisation würde von den Irakern für eine Zusammenarbeit gesucht und vorgezogen, gegenüber nationalen Akteuren.

Drittens schliesslich, führen grössere europäische Beiträge auch dazu, die USA in der Verantwortung zu halten. Beispielhaft führt hier Maas Afghanistan ins Feld, mit der neuesten Verständigung zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban, als Chance, dazu, Fortschritte durch die Schaffung eines sicheren Umfeldes zu erzielen. „In together, out together – das sollte deshalb die Richtschnur bleiben aus Sicht von Deutschland, das in Afghanistan der zweitgrößte Truppensteller ist“, führt der deutsche Aussenminister dazu aus.

Es brauche daher eine echte politische Debatte darüber, was die transatlantische Partnerschaft im 21. Jahrhundert werden solle. „Nicht maximale Disruption, sondern schonungslose Diskussion mit klaren Ergebnissen“, das sei der einzige Weg, der den Multilateralismus voranbringe, so der deutsche Aussenminister. Es gelte, die regelbasierte Weltordnung zu verteidigen, und dazu wäre die gebündelte wirtschaftliche Kraft, das gemeinsame militärische Potenzial und die gemeinsamen ordnungspolitischen Vorstellungen vonnöten.

Am besten beginne man damit dort, wo die vom „Munich Security Report“ konstatierte „Westlessness“ am deutlichsten spürbar wird: nämlich in den Krisen vor der eigenen Haustür. Aus europäischer Sicht sei dies in erster Linie in Irak, Syrien, Libyen die Ukraine und in der Sahel-Zone.

Über Thomas Morvay 311 Artikel
Der mit Sprache Bilder kreiiert Seit über 10 Jahren journalistisch tätig, vorwiegend zu Themen Israel und jüdisches Leben. Zuvor Korrespondent und Redaktioneller Mitarbeiter für die European News Agency, und seit geraumer Zeit als Blogger hier auf dieser Plattform. Davor war ich auch fleissig als Kommentator über die Plattform Disqus unterwegs, u.a. bei der Jerusalem Post oder die Neue Zürcher Zeitung. Inhaltlich mache ich keinen Hehl aus meiner Überzeugung, dass für mich die sog. Zwei-Staaten-Lösung - die ja wahl- und bezeichnenderweise auch schon ein Konzept für mehr als 2 Staaten war - eine in der westphälischen Ordnung (Henry Kissinger) verwurzelte und europazentrische Sichtweise - überholt resp. zumindest neu gedacht werden muss. Als Sprössling zweier Überlebenden der Schoa ist das, was man heutzutage Erinnerungskultur nennt, naturgemäss mein Thema. In diesen Zusammenhang gehört die Auffassung, dass man nach wie vor lieber tote Juden beweint, als dass man sich lebenden Juden - in Israel oder in der Diaspora - zuwendet, bekennt und mit ihnen solidarisiert. In dieser Hinsicht halte ich meinem Land, der Schweiz, vor, sich ihrer Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht gestellt zu haben. Da verkommt sogar die Diskussion über eine zentrale Gedenkstätte oder zu Raubkunst zur willkommenen Ablenkung vom Thema. Mitglied im Deutschen Verband der Pressejournalisten

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